Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

12 1. Abschnitt. Von Rußland zu Großbritannien. 1887—1894. 
  
einen großen Fehler hielt, schrieb damals: „In Agppten wird die Frage 
über die Herrschaft im Mittelmeer gelöst, und wir könnten uns für die in 
Tunis erlittenen Niederlagen entschädigen.“ An einer anderen Stelle 
seiner Denkwürdigkeiten") sagt der große Staatsmann: „England fürchtet 
nicht die Entwicklung unserer Marine, im Gegenteil, es freut sich ihrer Ent- 
wicklung, denn dadurch entsteht eine Seemacht, die Frankreich entgegen- 
treten könnte .. Als Freunde und Berbündete der Engländer haben wir 
zur See nichts zu befürchten. Wenn der entgegengesetzte Fall einträte, 
würden wir nie Herren unserer Küsten sein.“ 
Die Kenntnis gerade dieser großen programmatischen Gesichts- 
punkte, die sich nicht nur Crispi, sondern alle bedeutenden italienischen 
Staatsmänner in jener Periode vorsetzten, ist unbedingt notwendig, wenn 
man die italienische Politik verstehen will. Dazu muß bedacht werden, 
daß Frankreich damals unbestritten die zweite Seemacht der Welt war 
und eine Flotte besaß, die durch den siebziger Krieg nicht gelitten hatte. 
Die italienische Politik war somit zur See mit Notwendigkeit auf englische 
Freundschaft angewiesen, da die Dreibundmächte zur See nicht in Betracht 
kamen. Zusammengehen mit England an den afrikanischen Nordküften 
war für eine tatkräftige, ausgreifende italienische Politik damals vorteil- 
haft und von dem Augenblicke an selbstverständlich, wo Italien nicht mehr 
schwankte: zwischen Frankreich und Großbritannien zur See, zwischen Frank- 
reich und Deutschland zu Lande. 
Während der ersten Periode des neuen ODreibundes waren die italie- 
nischen Staatsmänner aber englischer Hilfe im Mittelmeer nicht sicher, 
fühlten sich von Bismarck geringschätzig behandelt, offenbar, weil er Stetig- 
keit bei ihnen vermißte. Besonders fehlte aber im Bündnisvertrage das, 
was Italien vor allem zu haben müssen glaubte: Sicherung seiner Stellung 
im Mittelländischen Meere. Oer italienische Minister des Auswärtigen, 
Graf Robilant, stellte dieses als Bedingung vor Erneuerung des Bünd- 
nisses, und Bismarck, der die Rotwendigkeit einer solchen Ergänzung erkannte, 
versuchte, die englische Regierung zu bewegen, Italien diejenigen Garan- 
tien für das Mittelmeer zu bieten, welche Deutschland nicht geben konnte. 
Diese aus italienischen Quellen stammenden Mitteilungen werden durch 
Ausführungen bestätigt, die Fürst Bismarck um Mitte der neunziger Zahre 
in seinem Hamburger Organ machen ließ. Es heißt da u. a.: „Wenn 
Graf Nobilant bei der damaligen Erneuerung des Dreibundes (1887) 
eine vorherige Abmachung mit England zum Schutze der italienischen Inter- 
  
*) Zn diesem Zusammenhange möchte ich nicht verfehlen, auf die Memoiren Crispie 
binzuweisen, eine wahre Fundgrube für die politische und diplomatische Zeitgeschichte. 
Leider ist nur ein Teil ins Deutsche übersetzt: „Die Memoiren Francesco Crispis“, deutsch 
von W. Wichmann. Rom, Verlag F. Fontane & Cie. Berlin 1912. Oieses Buch schließt 
bereito mit dem Jahre 1890, ist aber von bob#m Interesse.
	        
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