Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

16 1. Abschnitt. Von Rußland zu Großdritannien. 1887—1894. 
  
England als Surrogat zurück, ein Surrogat, das so lange nicht schaden 
konnte, wie seine Wirksamkeit im Einklange, nicht nur mit den Interessen 
Staliens, sondern auch mit denen des Oreibundes blieb. 
Im Laufe der Zeit änderten sich die politischen Berhältnisse wie 
auch die Kraftverhältnisse in Europa außerordentlich, aber in höherem 
Grade zu Wasser als zu Lande. Deshalb wiederum ist die Stellung Ita- 
liens für die italienische Politik selbst lange Zeit sehr schwierig gewesen. 
Für die übrigen Mächte, die des Dreibundes wie die anderen, bildete 
die Bestimmung Italiens und der Einfluß auf sie einen Gegenstand größter 
Aufmerksamkeit. Deutschland als ODreibundmacht konnte mit Ztalien 
aber nur dann eine richtige und letzten Endes erfolgreiche Politik treiben, 
wenn diese immer wieder auf die Grundlagen der italienischen Stellung 
im Mittelmeer einerseits, im Dreibunde anderseits zurückging und von 
eben ihnen auch wieder ihren Ausgang nahm. Schon die eine Tatsache, 
welche bei der öffentlichen Meinung Deutschlands zeitweise in Bergessen- 
heit geraten war, — und in der Beurteilung der Tagespolitik deshalb oft 
außer Betracht blieb — mußte bei jeder Beurteilung der auswärtigen 
Politik Ftaliens mit maßgebend bleiben: daß die Gründer des Dreibundes, 
Bismarck und Crispi, die Schutzgarantie der italienischen Mittelmeer--- 
interessen durch England für vollkommen unerläßlich hielten. Sonst, so 
war ihre Ansicht, mußte Italien dem französischen Ubergewichte nach- 
geben und sich automatisch dem Dreibunde entfremden. 
Hinsichtlich der Nützlichkeitsfrage, unter den damaligen Berhält- 
nissen, rechnete die deutsche Politik etwa folgendermaßen: 
Zum Oreibunde gehörig, mit seinen beiden Bundesgenossen völlig 
einig und seinen Vertragspflichten treu ergeben, werde, während eines 
europäischen Krieges, Italien eine gewisse französische Truppenmacht 
an den italienisch-französischen Grenzen gebunden halten. Die Armee 
Osterreich-Ungarns werde dann in ihrer ganzen Stärke nach den öst- 
lichen event. südöstlichen Grenzen der Doppelmonarchie ausgenutzt werden 
können. Wenn anderseits Italien sich nicht im Dreibund befände, oder 
aber ihm nur formal und mit halbem Herzen zugehörte, so würde Oster- 
reich-Ungarn im Kampfe gegen Rußland gezwungen sein, einen großen 
Teil seiner Streitkräfte an der österreichisch-italienischen Grenze zu binden 
und mit der Hand am Säbelgriff bereitzuhalten, wenn nicht überhaupt 
offener Kampf zwischen den beiden Nachbarmächten ausbräche. Frank- 
reich seinerseits brauchte an der italienischen Grenze keine Truppen zu 
lassen. Das entsprechende Verhältnis würde zur See für die beiden Mächte 
gelten. Ein nicht zum Oreibunde gehöriges Italien würde ferner mit 
Notwendigkeit Frankreich dienstbar werden, schon im Frieden Frankreichs 
Mittelmeerstellung enorm stärken und auf Österreich-Ungarn drücken,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.