30 1. Abschnitt. Von Rußland zu Großbritannien. 1887—1894.
tragen, die Waffenbrüderschaft in der Schlacht bei Waterloo erwähnt
und gesagt, er hoffe, daß die deutsche Armee mit der englischen Flotte
zusammen den Frieden erhalten werde. Der alte Moltke, der zugegen
war, habe dann zu Hohenlohe gesagt: „Ein politisch Lied, ein garstig
Lied“, und der Hoffnung Ausdruck gegeben, die Rede werde nicht in
der Zeitung erscheinen. Nach dem Vorgange von 1889, wo der Prinz
von Wales, nicht der Deutsche Kaiser, zuerst gerade diesen Ton ange-
schlagen hatte, gewinnt dessen Tischrede von 1890 ein ganz anderes An-
sehen. Hauptsächlich fällt aber ins Gewicht, daß damals Bismarck noch
im Amte war und sein Sohn Herbert die Innigkeit des deutsch-englischen
Verhältnisses Crispi gegenüber ausdrücklich billigte. Die erwähnte Aus-
lassung des Organs Lord Salisburps, der „Morning Post“, bestärkt diese
Auffassung. Alles in allem erscheint hiernach die Ansicht nicht mehr halt-
bar, daß die Rede des Kaisers sich gegen Rußland gerichtet hätte, um so
weniger, als er im August desselben Zahres als Gast des Zaren über
Reval nach Narva ging. Weiter dürfte in Betracht kommen, daß damals,
am 22. März 1890, weder der Rückversicherungsvertrag verfallen, noch
der deutsch-englische Bertrag über Helgoland und Sansibar usw. geschlossen
worden war. Dieser (am 17. Juni 1890 geschlossen) erregte allerdings
starke Mißstimmung in Rußland und die Besorgnis derjenigen sehr engen
Kreise in Rußland, welche um den Rückversicherungsvertrag wußten. Die
andern erblickten im Helgolandvertrage einfach ein bedrohliches Zeichen
deutsch-englischer Annäherung. Insbesondere die panslawistische Presse
in Rußland gab der Ansicht Aueêè#druck, daß hinter den deutsch-englischen
Abmachungen mehr stecke, alo man annehme.
Oer Besuch des Kaisers in Rußland fiel denn auch ziemlich kühl
aus, nur ganz kurze Trinksprüche wurden gewechselt, und die russische
Presse erklärte gleichzeitig: die politische Lage sei nach dem Kaiserbesuche
genau dieselbe wie vorher, die tatsächlichen Beziehungen Rußlands
zu Frankreich würden dadurch nicht im mindesten geändert. Der Zar
zog nach langem Zögern jetzt Frankreich gegenüber die Konsequenzen
aus der neuen Lage: der Präsident der französischen Republik und der
Minister des Auswärtigen erhielten hohe russische Orden, der russische
Generalstabschef reiste nach Frankreich, der französische Kriegsminister
Ferron redete auf: „die große tapfere russische Armee, die keine Koali-
tion zu fürchten habe, die Schwesterarmee“ . .Eine weitere russische
Anleihe in Frankreich im Betrage von 400 Millionen Franken kam zu-
stande. Kurz, die Würfel waren gefallen.
Zar Alexander und seine Staatsmänner waren der Ansicht, daß man
nunmehr zu bestimmten Abmachungen mit Frankreich kommen müsse.
Im Jahre 1891 wurde die politische Entente zwischen den beiden Mächten