Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Der Helgoland- und Sansibarhandel. 41 
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genommen, der deutsche Einfluß sei gering gewesen, das Ganze eine Quelle 
für zukünftige Mißhelligkeiten mit England. Man müsse sich vom deut- 
schen Standpunkte fragen, wie weit die kolonisatorischen Kräfte überhaupt 
reichten, „wie weit reicht das Geld, das Deutsche in Kolonien anzulegen 
gesonnen sind, und wie weit reicht unser Menschenmaterial, das in den 
Kolonien verwendbar ist? .. Man hatte an zu vielen Stellen gleich- 
zeitig angefangen und hatte nun beide Hände voll mit Dingen, die man 
zu verwerten nicht imstande war, weil man weder Geld noch Menschen 
dafür hatte.“ Der Reichskanzler versuchte dann weiter seine Behauptung 
zu belegen: „Ich meine, daß auch vom rein finanziellen Standpunkte 
die Geschichte uns insofern recht gegeben hat, ale sie zeigt, wie kostspielig 
zuzeiten der Besitz eines absolut wertlosen Landes werden kann.“ Damit 
meinte er Witu, wo die Engländer gerade eine kostspielige Expedition 
ins Innere hatten unternehmen müssen. 
Diese beiden Caprivischen Aussprüche: von der „absoluten Wert- 
losigkeit“ des Landes, und die Auffassung, daß alles Gebiet, welches man 
nicht innerhalb einer klar absehbaren Frist fruchtbringend ausnützen könne, 
überflüssig sei, sind überaus charakteristisch für seine Auffassung von Ko- 
lonialpolitik. ODagegen ist nicht richtig, den Reichskanzler v. Caprivi alo 
„Feind der Kolonialpolitik“ schlechthin zu bezeichnen. Er begriff als 
früherer Chef der Admiralität den Autzen und die Notwendigkeit aus- 
wärtiger Kohlenstationen für die Marine, auch im allgemeinen die Not- 
wendigkeit für Deutschland, Kolonialpolitik zu treiben; er fand aber die 
Art des deutschen Kolonisierens planlos und unüberlegt und urteilte, 
daß sie zu weit geführt babe. Man hat den Eindruck einer starken Pedanterie 
der Anschauung, welche militärische Ordnung, Klarheit und Bestimmtheit, 
nach Ort und Zeit, auf einem Gebiete verlangte, — und dieses Gebiet 
auch eben danach begrenzen und einteilen wollte, — wo es ganz unmöglich 
und praktisch höchst schädlich war. Dem Reichskanzler Caprivi schwebte 
hinsichtlich der Kolonien immer das griechische Wort vor: In nichts zuviel! 
Er wollte nur so viel Kolonialgebiet haben, wie man „ausnützen“ konnte, 
er wollte alles bürokratisch klar übersehen und übersichtlich einteilen. Auch 
grundsätzlich betrachtet, war das nur akademisch richtig, für alle praktische 
Kolonialpolitik aber, nicht nur im einen oder anderen Falle, sondern grund- 
sätzlich falsch. Der Grundsatz aller praktisch tätigen Kolonialmächte war 
richtiger: zunächst zu nehmen, soviel man habhaft werden konnte, oder in 
der einen oder anderen Form unter den eigenen Einfluß zu bringen und 
in strittigen Gebieten den Zwischenzustand ruhig bestehen zu lassen und 
zu warten. 
General v. Caprivi behandelte infolge dieser seiner Anschauungen 
die großen Kolonialgebiete in Ostafrika, welche entweder schon unter
	        
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