Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Der Helgoland- und Sansivarhandel. 47 
In der Denkschrift, die damals von Caprivi veröffentlicht wurde, 
führte er aus: Die Insel bedeute für Deutschland eine wesentliche Er- 
höhung des Schutzes der Küsten und Flußmündungen an der Nordsee. 
Auch neutral hätte sie einem Feinde gleichwohl einen gewissen Stützpunkt 
gewährt. — HDas ist nicht unrichtig, denn eine neutrale Insel schoß im 
Kriege nicht selbst, stützte keine deutschen Seestreitkräfte, diente nicht als 
deutsche Beobachtungsstation, gab aber unter gewissen Verhältnissen 
feindlichen Schiffen außerhalb der Neutralitätsgrenze Schutz gegen Wind 
und Wetter. — Sei die Insel, so fährt der Bericht fort, in unserem Besitze 
und gut befestigt, so könne eine feindliche Flotte sich kaum längere Zeit 
vor den Flußmündungen halten, eine Blockade würde sehr erschwert wer- 
den, auch erhalte der im Bau befindliche Nordostseekanal erst durch das 
deutsche Helgoland seinen vollen Wert. — 
Diese Beweisgründe waren damals stichhaltig und sind es heute — 
man möchte sagen — in zwanzigster Potenz. Für die deutsche Marine 
war es schon 1890 lediglich eine Geldfrage, den Wert Helgolands stark 
zu erhöhen, nämlich durch entsprechende Befestigung. Die strategische 
Lage der Insel tief im Winkel der Nordseebucht, dicht vor der Elbe, Weser, 
Jade und Ems und vor der Mündung des Nordostseekanales ist eine mili- 
tärisch so ungemein inhaltreiche, daß man sich trotz der damals so intimen 
englisch-deutschen Beziehungen wieder und wieder wundern muß, wie 
der sprichwörtliche praktische Weitblick der Engländer über die Bedeutung 
der Insel völlig hinwegsehen konnte. Das wird durch die Vorgeschichte 
noch drastischer beleuchtet: 
In den Jahren 1885 und 1887 — wir folgen hier dem Berichte des 
früheren Reichstagsabgeordneten Kalle, mitgeteilt von Prof. W. Müller — 
war im englischen Unterhause der Antrag gestellt worden, die Znsel, 
welche England nur Kosten verursache, ohne kommerziellen und strategischen 
NRutzen zu bringen, an Deutschland abzutreten, was zur festeren Knüp- 
fung des zwischen den beiden Staaten bestehenden Freundschaftsbandes 
dienen würde. Die britische Regierung erwiderte, Deutschland lege keinen 
Wert auf den Besitz Helgolands. Daraufhin wendete Kalle sich an den 
damaligen Chef der Admiralität, v. Caprivi, „der die Bedeutung der 
Insel voll anerkannte“, aber für nötig erklärte, daß Kalle, der im Reichs- 
tage eine Resolution einbringen wollte, sich vorber an das Luswärtige Amt 
wende. Man müsse da erfahren, ob die internationalen Beziebhungen 
zur Anbahnung eines solchen Schrittes angetan seien. Der Staatssekre- 
tär des Auswärtigen Amtes, Graf Herbert Bismarck, habe gesagt, die 
Erwerbung Helgolands werde schon lange geplant, auch wünsche sie Prinz 
Wilhelm (Kaiser Wilhelm II.). Augenblicklich sei die Anregung der Frage 
aber nicht opportun, denn man wünsche die derzeitige britische Regierung
	        
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