Der Helgoland- und Sansivarhandel. 47
In der Denkschrift, die damals von Caprivi veröffentlicht wurde,
führte er aus: Die Insel bedeute für Deutschland eine wesentliche Er-
höhung des Schutzes der Küsten und Flußmündungen an der Nordsee.
Auch neutral hätte sie einem Feinde gleichwohl einen gewissen Stützpunkt
gewährt. — HDas ist nicht unrichtig, denn eine neutrale Insel schoß im
Kriege nicht selbst, stützte keine deutschen Seestreitkräfte, diente nicht als
deutsche Beobachtungsstation, gab aber unter gewissen Verhältnissen
feindlichen Schiffen außerhalb der Neutralitätsgrenze Schutz gegen Wind
und Wetter. — Sei die Insel, so fährt der Bericht fort, in unserem Besitze
und gut befestigt, so könne eine feindliche Flotte sich kaum längere Zeit
vor den Flußmündungen halten, eine Blockade würde sehr erschwert wer-
den, auch erhalte der im Bau befindliche Nordostseekanal erst durch das
deutsche Helgoland seinen vollen Wert. —
Diese Beweisgründe waren damals stichhaltig und sind es heute —
man möchte sagen — in zwanzigster Potenz. Für die deutsche Marine
war es schon 1890 lediglich eine Geldfrage, den Wert Helgolands stark
zu erhöhen, nämlich durch entsprechende Befestigung. Die strategische
Lage der Insel tief im Winkel der Nordseebucht, dicht vor der Elbe, Weser,
Jade und Ems und vor der Mündung des Nordostseekanales ist eine mili-
tärisch so ungemein inhaltreiche, daß man sich trotz der damals so intimen
englisch-deutschen Beziehungen wieder und wieder wundern muß, wie
der sprichwörtliche praktische Weitblick der Engländer über die Bedeutung
der Insel völlig hinwegsehen konnte. Das wird durch die Vorgeschichte
noch drastischer beleuchtet:
In den Jahren 1885 und 1887 — wir folgen hier dem Berichte des
früheren Reichstagsabgeordneten Kalle, mitgeteilt von Prof. W. Müller —
war im englischen Unterhause der Antrag gestellt worden, die Znsel,
welche England nur Kosten verursache, ohne kommerziellen und strategischen
NRutzen zu bringen, an Deutschland abzutreten, was zur festeren Knüp-
fung des zwischen den beiden Staaten bestehenden Freundschaftsbandes
dienen würde. Die britische Regierung erwiderte, Deutschland lege keinen
Wert auf den Besitz Helgolands. Daraufhin wendete Kalle sich an den
damaligen Chef der Admiralität, v. Caprivi, „der die Bedeutung der
Insel voll anerkannte“, aber für nötig erklärte, daß Kalle, der im Reichs-
tage eine Resolution einbringen wollte, sich vorber an das Luswärtige Amt
wende. Man müsse da erfahren, ob die internationalen Beziebhungen
zur Anbahnung eines solchen Schrittes angetan seien. Der Staatssekre-
tär des Auswärtigen Amtes, Graf Herbert Bismarck, habe gesagt, die
Erwerbung Helgolands werde schon lange geplant, auch wünsche sie Prinz
Wilhelm (Kaiser Wilhelm II.). Augenblicklich sei die Anregung der Frage
aber nicht opportun, denn man wünsche die derzeitige britische Regierung