Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Der Helgoland- und Sansibarhandel. 49 
und beherrschend für die Mündung des Nordostseekanals bzw. der Elbe, 
Zade, Weser und Ems. Kein deutsches Kriegsschiff könnte aus- oder ein- 
laufen, ohne von Helgoland aus — oder von dort stationierten Schiffen 
— gesichtet und nach England signalisiert zu sein. Zieht man dazu die 
schon jetzt ungeheuer erhöhte und immer noch wachsende Geschwindigkeit 
der Kriegsschiffe in Betracht, ferner das für die Praxis beinahe zeitlose 
Arbeiten der Funkentelegraphie als Signalmittel, so braucht nicht mehr 
langatmig bewiesen zu werden, daß ein beute englisches Helgoland nicht 
nur unbequem wäre, nicht nur eine Gefahr darstellte, sondern daß es eine 
ungestörte Mobilmachung der einzelnen Elieder unserer Seestreitkräfte 
und Küstenverteidigung unmöglich machen und ihren Aufmarsch noch 
weniger gestatten würde. Deutschland hätte Schiffe bauen, es hätte viele 
Millionen in seine Seerüstung hineinstecken können, aber das englische 
Helgoland hätte stets unmöglich gemacht, daß die deutsche Seemacht ein 
strategisches Rückgrat erhielte. Kurz, es ist mit keiner Silbe übertrieben, 
wenn man behauptet, daß eine starke deutsche Seemacht ohne ein deut- 
sches Helgoland damals ausgeschlossen gewesen wäre. Das würde aber 
in weit höherem Maße heute ebenso wie morgen gelten; denn der mili- 
tärische Wertzuwachs der Insel steigt weiter. Daraus geht hervor, daß 
an und für sich kein kolonialer Wert zu hoch sein konnte, um die Insel 
wieder an Deutschland zu bringen, denn von den kolonialen Werten, 
die damals in Betracht kamen, bedeutete kein einziger eine vitale Not- 
wendigkeit für die Verteidigungsrüstung des Oeutschen Reiches, weder 
der Gegenwart, noch der Zukunft. Die Frage, welche, wenn schon einiger- 
maßen akademisch geworden, zu beantworten bleibt, ist: ob es nötig war, 
gerade jenen kolonialen Preis für die Insel zu zahlen. Das wird man, 
ohne dem damaligen Reichskanzler zu nahe zu treten, verneinen können. 
Wie ausgeführt wurde, war der Hauptzweck, den Caprivi mit dem Ab- 
kommen von 1890 verfolgte, weniger, einen in sich vorteilhaften Handel 
zu machen, als die Beziehungen mit England besser zu gestalten und zu 
festigen, weil er sie gefährdet und erschüttert glaubte. 
Zn England dachte man 1890 ebenso wie 1885 und 1887 sehr gering 
vom Werte der Insel Helgoland. Trotzdem wurde ein am 2. Juni 1890 
im Unterhause gestellter Antrag auf Abtretung Helgolands an Deutsch- 
land mit überwiegender Mehrheit abgelehnt, unter der sonderbaren Be- 
gründung, daß man dann auch die Kanalinseln an Frankreich und Ei- 
braltar an Spanien abtketen müsse. Bierzehn Tage später, nachdem die 
Tauschbedingungen bekannt geworden waren, wurde die Abtretung von 
beiden Parlamenten angenommen. In der englischen Presse war man 
mit dem Abkommen überaus zufrieden und meinte, die Insel Helgoland 
sei von äußerst zweifelhaftem Werte und werde nur von Schmugglern 
Gros Reventlew. Oeuüchland= auswmöctige Volitik. 4 
 
	        
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