50 1. Abschnitt. Bon Rußland zu Großbritannien. 1887—1894.
und Gefühlemenschen geschätzt, während die Insel Sansibar den Schlüssel
in Ostafrika bilde. Zede Seemacht, welche diese Insel besitze, habe die
Vorherrschaft an der ostafrikanischen Küste.
Der Premierminister Lord Salisburpy führte aus, daß Helgoland,
nachdem es im Kriege gegen Napoleon von Wichtigkeit für England ge-
wesen sei, seit 1821 keine militärische Besatzung mehr habe. Der strate-
gische und kommerzielle Wert der Insel sei für England geringfügig. Im
Falle eines Krieges mit Deutschland würde dieses sofort eine Streitmacht
nach Helgoland senden, bevor die englische Ersatzflotte angelangt sei.
Zm Falle eines Krieges mit anderen Mächten müsse England bei Helgo-
land eine Flotte stationieren und würde somit seine Kräfte zersplittern
müssen. Die Abtretung der „sentimentalen Insel“ (sentimental island)
entspreche den wahren Znteressen Englands, nachdem man jetzt einen
befriedigenden Ersatz dafür ausfindig gemacht habe.
Man kann diese Ausführungen vom militärischen Standpunkte nur
mit Kopfschütteln betrachten und mit Erstaunen darüber, daß die bri-
tische Admiralität sich die verschiedenen denkbaren politischen und mili-
tärischen Möglichkeiten gar nicht durchdacht hatte. Man war offenbar
einerseits geblendet durch die großen Zugeständnisse Deutschlands in
Afrika, anderseits — und das war der springende Punkt — dachte man
nicht entfernt daran, daß eine wirklich beachtenswerte deutsche Seemacht,
eine Hochseeflotte in absehbarer Zeit entstehen könne. War eine solche
aber nicht vorhanden und trotzdem Krieg mit Deutschland, so konnte es
den britischen Interessen ziemlich gleichgültig sein, ob ein deutsches Helgo-
land daläge, das die britischen Geschwader gar nicht zu beachten brauchten,
sondern rechts und links passieren konnten, um die deutschen Häfen und
Küsten direkt zu blockieren.
Auf seiten Lord Salisburys ist der Gedanke an die Möglichkeit eines
Krieges mit Deutschland überhaupt nur ein akademisches Gedankenspiel
gewesen, und er war ohne Zweifel der Uberzeugung, welche er mit den
Worten ausdrückt: „Wir haben ein Abkommen getroffen, das jede Gefahr
der Uneinigkeit und des Streites zwischen uns beseitigt und auf lange
Zeit hinaus die guten Beziehungen derjenigen befestigt, die infolge ihrer
Sompathien füreinander, infolge ihrer Interessen und ihrer Abkunft
immer gute Freunde sein werden.“
Man war also in England mit dem Handel an und für sich sehr zu-
frieden, und das Wort Stanleys: man habe für einen Hosenknopf einen
ganzen Anzug erhalten, drückte wohl die allgemeine Ansicht der britischen
Diplomaten und Kolonialpolitiker aus. Dazu kam als zweites, sebr er-
hebliches Moment die Beurteilung des Tauschgeschäftes im Rahmen der
europäischen Lage: Der deutsch-russische Aeutralitätsrvertrag war gelöst