Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Am Ende der Amtsfuhrung Caprlvis. 55 
  
verspottetes Symbol die Ohnmacht des Deutsches Reiches zur See. Der 
Chef des französischen Geschwaders aber, Admiral Rieunier, überbrachte 
dem König von Ztalien einen Brief des Präsidenten Carnot, und der König 
antwortete: dieser Brief sei der Beweis einer Freundschaft, „die uns 
teuer ist und die unseren Gefühlen lebhaftester Sympathie für Frank- 
reich entspricht !|7 — 
Trotz der Herzlichkeit der wiederholten deutsch-italienischen Monarchen- 
besuche, trotz der unbezweifelbaren Aufrichtigkeit dieser Kundgebungen, 
zeigten jene Symptome eben durch die Ständigkeit ihrer Wiederholung, 
daß — vom Könige bis zu den Abgeordneten der Opposition im Parla-- 
mente und bis zu den politisch zielbewußten Verherrlichern lateinischer 
Rassengemeinschaft und italienischer Dankpflichten gegen Frankreich — 
das nach der französischen Seite hin drängende Moment stärker wurde. 
Ende des Jahres 1893 erhoben sich sogar Stimmen für ein enges Zu- 
sammengeben mit Rußland und Frankreich. Oen leitenden Persönlich- 
keiten und dem Könige lag zwar eine Trennung vom Oreibunde fern, 
aber näher rückte der Gedanke: außerhalb des genau und knapp ver- 
standenen Rahmens dieses Vertrages eine unabhängige Politik zu machen. 
Das Ansehen Frankreichs wuchs, seine Macht indirekt und direkt auch, 
und diesen Tatsachen proportional naturgemäß auch das Schutzbedürfnis 
Italiens im Mittelländischen Meere. Der Schutz Englands war ihm 
seinerzeit für die Erhaltung des Status quo im Mittelländischen Meere 
zugesagt worden, aber die Hauptgarantie für diesen Schutz hatte man 
neben dem Interesse Großbritanniens am Mittelländischen Meere auch 
in dessen wohlverstandenem Interesse erblickt, mit Bismarck, bzw. dem 
Oeutschen Reiche, konform zu geben. Jetzt war Bismarck nicht mehr da, 
das deutsch-russische Bertragsband war gelöst, und in demselben Augen- 
blicke riß auch das Band, an dem Biemarck durch den deutsch-russischen 
Vertrag die englische Politik bis zu einem gewissen Grade gehalten hatte. 
Oie Tatsache, daß Bismarck die komplizierte Situation beherrscht hatte, 
und daß die Italiener an sich wiederholt die Bestätigung erfahren hatten: 
wenn er etwas sagt, so tut er es und kann es auch — hatte ihnen das Ge- 
fübl der Sicherheit gegeben. A#icht zum wenigsten durch jene ungeheure 
Autorität und die Eigenschaft, welche Crispi an Bismarck hervorbob: 
„er weiß immer genau, was er will“, war es überhaupt möglich gewesen, 
alle Fliehkräfte in seinem Systeme zusammenzuhalten. Seitdem hatte 
sich die Lage gründlich verändert, die deutsche Politik flößte gerade dem 
immer mißtrauischen Ztaliener nicht mehr das Bertrauen ein wie früher. 
Als dann gegen Ende der Caprivischen Amtszeit auch Schwierigkeiten 
zwischen Deutschland und England eintraten, ohne daß auf der anderen 
Seite das deutsch-russische Verhältnis sich wesentlich gebessert hätte, ale
	        
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