Full text: Von Potsdam nach Doorn.

„Diese blieben im Stadium theoretischer Betrachtungen und waren nicht 
stark genug, um angeborene preußisch-monarchische Gefühle auszutilgen.“ 
Mit diesen wenigen Worten sind die beiden einander entgegenwirkenden 
Momente bezeichnet: die theoretischen Betrachtungen und das an- 
geborene monarchische Gefühl. Das letztere mußte bei dem Abkömmling 
eines alten eingesessenen Geschlechts, dessen Vergangenheit mit dem preu= 
Bischen Herrscherhaus und mit der Armee verknüpft war, als von vorn- 
herein stark angenommen werden, stärker auf alle Fälle als bei dem da- 
maligen Durchschnitt des Bürgertums und bei den Besitzlosen. Aber auch 
das Bürgertum mit seinem Hang zur Stetigkeit der Lebensverhältnisse, 
ebenso wie vollends der Bauer, haben 1848 keinen Versuch gemacht, ihre 
Fürsten zu verjagen, und erkannten eben auch die Vorteile der Monarchie 
eben von diesem Gesichtspunkt aus; die Monarchie war ihnen: die Ordnung, 
die — besonders in Preußen — während des neunzehnten Jahrhunderts 
musterhafte Pflichttreue und Sauberkeit des Verwaltungswesens und die 
Unbestechlichkeit einer berufs- und standesstolzen Beamtenschaft. Das 
waren Werte, die auch in den Augen der Bevölkerung den nicht leichten 
Druck eines sich seines Wertes zu sehr bewußten Bürokratentums aufwogen. 
Die wirkliche Gefährdung der Monarchie und des monarchischen Gedankens 
und als dessen Gegenpol der Gedanke des revolutionären Umsturzes wurden 
erst später reif. “ 
Das Jahrzehnt nach dem 1848er Umsturz brachte europäische Ereignisse, 
die trotz des trübseligen Ausgangs der Frankfurter Nationalversammlung 
den deutschen Gedanken immer von neuem aufleben ließen, zum mindesten 
einen festeren Zusammenschluß der deutschen Staaten als notwendig fühl- 
bar machten: 
Der französische Kaiser, der sich Napoleon III. nannte und als der ‚‚Er- 
wählte der sieben Millionen‘ nun trachtete, seine Stellung durch Ruhm und 
wachsendes Prestige Frankreichs zu festigen, hatte im Jahre 1859 Österreich 
in Italien geschlagen; Österreich hatte eine überraschend geringe mili- 
tärische Kraft entwickelt. Dieses Ereignis rief in Deutschland große Er- 
regung hervor. Der erste Impuls war: Österreich zu Hilfe zu kommen. Man 
sah ein gefährliches Übergewicht Frankreichs herannahen und damit die 
alte Gefahr für die Rheinlande. Wieder zeigte sich, daß der alte unverdiente 
Respekt der meisten deutschen Fürsten und ihrer Völker vor dem Habs- 
burger Haus noch nicht erloschen war. Man drängte darauf, daß der Deut- 
sche Bund dem großen Bundesgenossen in der Stunde der Gefahr beispringe. 
Daß die katholischen unter den deutschen Staaten und Fürsten besonders 
eifrig waren, lag auf der Hand. Es war das Verdienst Bismarcks, daß er 
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