Full text: Von Potsdam nach Doorn.

militärischen und politischen Kräfte Deutschlands herbeiführen, ehe neue 
Kämpfe in Europa ausbrechen und ein unvorbereitetes und zersplittertes 
Deutschland mit schweren Gefahren bedrohen.“ 
Diese Gedanken entwickelte Bennigsen kurz darauf in der Hannoverschen 
Ständeversammlung. Seine Verteidigung der damaligen preußischen Politik 
gegen Österreich bedeutete etwas Neues, wenn er zum Beispiel sagte: es sei 
Preußen nicht zuzumuten, sich für den politischen und religiösen. Absolu- 
tismus Österreichs zu begeistern oder für Österreichs italienische Spazier- 
gänge und Spezialverträge in den Kampf zu ziehen. Österreich möge sich 
nicht einbilden, ohne weiteres die deutsche Stimmung für sich zu haben. Ge- 
winne Preußen durch eine aufrichtig liberale und nationale Politik Halt im 
deutschen Volk, so werde sich Österreich von seinem Aberglauben be- 
kehren ... Im Jahre 1848 sei die deutsche Einheitsbewegung noch roh und 
unreif gewesen, außerdem uneinig. Der preußische Herrscher habe damals 
nicht in sich selbst die Kraft gefunden, auf die dargebotene Machtstellung 
einzugehen. Jetzt dürfte beides anders geworden sein: möglich sei, daß die 
preußische Regierung an die Spitze der deutschen Reformbewegung trete 
und im deutschen Volk die Uneinigkeit und der Parteihaß und jugendliche 
Phantastereien verschwunden seien ... Nur die offiziellen Zustände und 
Organe hätten sich überlebt, aber die Nation erhebe sich so kräftig und 
frisch wie je und werde auch widerstrebende Regierungen endlich mit sich 
fortreißen. Auch Preußen und Österreich würden auf den Weg getrieben, 
sich über gemeinsame Ziele dauernd zu vertragen. 
Auf dem Boden jener Erklärung und dieser Rede, die beide großes Auf- 
sehen im Lande und viel Mißbilligung bei den Regierungen erregten, arbeitete 
die Politik jener Vereinigung, die den Namen „Deutscher National- 
verein‘, erhielt und aus der ihre Führer die deutsche Nationalpartei 
bilden wollten. 
Der Erfolg zeigte bald, daß der Gedanke und das Programm des National- 
vereins überall in Deutschland Anhänger erhielten, vorwiegend aus den 
Kreisen der Intelligenz und der Wirtschaft. Das nächste Ziel war nun, eine 
politische Volksstimmung zu erzielen, und zwar durch breite Öffentlichkeit. 
Der Herzog Ernst von Coburg, der sich anfangs als Protektor und Führer 
zu fühlen wünschte, wollte einen Geheimbund, der aber abgelehnt wurde. 
Vor allem wollte man mit Preußen Fühlung haben, schrieb auch an Bis- 
marck und an den preußischen Minister Auerswald, aber Preußen hielt sich 
zurück. Einer der Führer des Nationalvereins, von Unruh, war mit Bis- 
marck befreundet und schrieb ihm: man, auch Bennigsen, würde sichfreuen, 
wenn er, Bismarck, zum preußischen Außenminister ernannt würde. Die 
Stimmung wird durch einen Brief Bismarcks beleuchtet: ein süddeutscher 
111
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.