Bismarcks Stellung ist hiermit prinzipiell gegeben, und damit erledigt
sich der später ihm oft gemachte gedankenlose oder oberflächliche Vorwurf,
er sei unsozial oder arbeiterfeindlich gewesen. Von den Anschauungen seiner
Zeit aus gesehen, war er das in keiner Weise, und er hat sich schon seit dem
Jahre 1862 mit der Arbeiterfrage in Preußen beschäftigt, später auch die
Bildung von Vertretungen angeregt, die, selbst aus Arbeitern bestehend, die
Arbeiterinteressen studieren und fördern sollten, auch zur Bildung von
Arbeitergenossenschaften riet er.
1881 erfolgte die Kaiserliche Botschaft, durch die die große soziale Ge-
setzgebung, die noch heute in der Welt unerreicht dasteht, dem Reichstag
durch den Fürsten Bismarck verlesen wurde:
„Schon im Februar dieses Jahres haben Wir Unsere Überzeugung aus-
sprechen lassen, daß die Heilung der sozialen Schäden nicht ausschließlich
im Wege der Repression sozialdemokratischer Ausschreitungen, sondern
gleichmäßig auf dem der positiven Förderung des Wohls der Arbeiter zu
suchen sein werde. Wir halten es für Unsere kaiserliche Pflicht, dem Reichs-
tage diese Aufgabe von neuem ans Herz zu legen, und Wir würden mit um so
größerer Befriedigung auf alle Erfolge, mit denen Gott Unsere Regierung
sichtlich gesegnet hat, zurückblicken, wenn es uns gelänge, dereinst das Be-
wußtsein mitzunehmen, dem Vaterlande neue und dauernde Bürgschaften
seines inneren Friedens und den Hilfsbedürftigen größere Sicherheit und Er-
giebigkeit des Beistandes, auf den sie Anspruch haben, zu hinterlassen.“ ...
Als Bismarck 1889 den letzten Teil jenes Systems sozialer Gesetze, den
Entwurf für Alters- und Invaliditätsversicherung, dem Reichstag vorlegte,
verteidigte er sich gegen die Verleumdungen, die von Byzantinern des neuen
Kaisers in Umlauf gesetzt worden waren, er, der Kanzler, sei „eigentlich“
gegen die Gesetze:
„Soviel Verdienst habe ich doch in dieser Sache, daß ich es fast als eine
Beleidigung ansehen könnte, wenn man von mir glauben wollte, daß ich sie
nun im Augenblick der Entscheidung im Stich lassen würde. Ich darf mir
die erste Urheberschaft der ganzen sozialen Politik vindi-
zieren, einschließlich des letzten Abschlusses davon, der uns
Jetzvw beschäftigt. Es ist mir gelungen, die Liebe des hochseligen Kaisers
Wilhelm I. für die Sache zu gewinnen. Er hat es als seinen schönsten
Triumph bezeichnet, den er noch haben würde, und den er noch zu erleben
wünschte, wenn diese Fürsorge für den Bedürftigen noch unter seiner Regie-
rung zum Abschluß kommen könnte.‘
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