stigen Schichten, auch nicht bei den doktrinären Demokraten lag, sondern
bei den Fürsten und Dynastien. Sie seien entscheidend gewesen, hätten den
Schlüssel zur deutschen Politik gehalten, während die Meinung der Gebil-
deten höchstens fördernd oder hindernd auf die deutsche Richtung hätte
einwirken können.
Die Richtigkeit dieses Gedankengangs erkannte von sich aus kurz nach
1864 Heinrich von Treitschke. Er, der selbst begeisterte, liberale Vertreter
einer deutschen Politik, in damaligem Sinne verstanden, gehörte, ehe er das
deutsche Ziel Bismarcks begriff, zu den heftigsten Gegnern des preußischen
Ministerpräsidenten. Er schrieb nach 1864 aber: ‚Vom dynastischen Bunde
zum nationalen Staate gelangt man nur durch einen Sprung.“ — Das wußte:
auch Bismarck. Er wußte auch, daß dieser Sprung mit dem Schwert in der
Hand gemacht werden mußte, und daß nur er, Bismarck, allein ihn machen
konnte.
Treitschke schreibt weiter:
„Nein, die Zersplitterung Deutschlands wird nicht aufrechterhalten durch
den Standeshaß der Deutschen, sondern allein durch das Interesse der Höfe
und ihres Anhangs. Wir stehen, wie die Schweiz und die Niederlande in den
Zeiten der Französischen Revolution, vor einem jener verhängnisvollen
Wendepunkte der Geschichte, wo alles möglich scheint, weil die Herrschen-
den allein ernstlich wünschen, das Bestehende zu erhalten. Aber hinter dem
dynastischen Partikularismus drohen die Kronen aller vereidigten Heere,
droht das ganze Rüstzeug der organisierten Staatsgewalt ... Er, der dyna-
stische Partikularismus, bedarf der Gründe nicht, er erfreut sich der Macht,
und dieser gewaltigen Macht haben die Patrioten vorläufig sehr geringe
Mittel entgegenzusetzen. Nur unerträgliche, stündlich quälende Leiden er-
füllen ein Volk mit jener großen politischen Leidenschaft, die rettende
Entschlüsse gebiert.“
Das also war für Bismarck wie für Treitschke der, richtig erkannte, sprin-
gende Punkt: bei den Dynastien, den vereidigten stehenden Heeren, der
Krone lag die Macht. Den ‚‚Patrioten‘ standen nur verhältnismäßiggeringe
Machtmittel zur Verfügung, also konnten sie jenen Sprung zum nationalen
Staat nicht machen. Denselben Gedanken drückt Bismarck aus, wenn er
sagt: bei den Dynastien habe der Schlüssel zur deutschen Politik gelegen.
Für den realpolitischen Staatsmann Bismarck, der das deutsche Ziel
wollte, ergab sich mithin die Folgerung, die Dynastien bzw. die Fürsten so
oder so zu gewinnen; solche Fürsten, die nicht zu gewinnen waren, zu be-
seitigen. Zuerst und vor allem mußte, um den Weg zu einer deutschen Po-
litik zu bahnen, der Habsburger Staat ausgeschaltet werden.
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