Full text: Von Potsdam nach Doorn.

Auch ist nicht zu vergessen, daß es Bleichröder gewesen war, der in 
Deutschland tätige Vertreter des Pariser Rothschild, der Bismarck für den 
Krieg gegen Österreich die erforderlichen Kredite besorgt hatte, nachdem er 
die Kraft und Bedeutung des preußischen Ministerpräsidenten erkannt hatte. 
Wie Bismarck seine später so viel besprochene Beziehung zu Bleichröder auf- 
faßte, hat erin einem Gespräch mit seinem Arzt, Dr. Schweninger, dargelegt: 
„Nie dürfen mir glauben, es war mir manchmal unangenehm, wenn geg- 
nerische Zeitungen mich mit Bleichröder in intime Beziehungen versetzten, 
aber ich, als vornehmer Mann, konnte ihn nicht abschütteln und ihm den 
Tritt geben, denn er hat mir im Jahre 1866 das zum Kriege nötige Geld zur 
Verfügung gestellt. Das war ein Unternehmen, welches sich unter den da- 
maligen Umständen, wo ich dem Galgen beinahe ebenso nahe stand wie dem 
Königsthron, zu Dank verpflichtete. Ich weiß alles, was Bleichröder als 
Mensch war und trieb. Allerlei Dinge und Passionen, wie sie eben derartige 
Leute mit‘ minderer Bildung, ohne starkes sittliches Fundament und im 
üppigen Genusse unermeßlicher Reichtümer zu treiben pflegen. Aber ich 
konnte und durfte ihm nicht übel begegnen, das widersprach meinen anerzo- 
genen Auffassungen von verpflichtender Noblesse. Auch kornte ich ihm des- 
wegen die Verwaltung meines mobilen Vermögens nicht nehmen, denn ich 
hatte keine Zeit, mich noch eingehend um solche Privatsachen zu beküm- 
mern und das Kursblatt täglich auswendig zu lernen. Bleichröder besorgte 
meine Vermögensverwaltung mit größter Sorgfalt, ohne dabei auf meine 
Gefälligkeit rechnen zu können, denn es ist die größte Gemeinheit, mir nach- 
zureden, daß ich ihm irgendwelche Staatsgeheimnisse oder Weisungen zur 
Ausschlachtung kommender Ereignisse mitgeteilt habe. Daß Bleichröder 
diesen Wunsch hatte, vielleicht auch Dritten gegenüber als ‚Bismarck-Ban- 
kier‘ sich wichtig machte, gebe ich zu. Das liegt ja in der Rasse und in der 
Branche. Das hätte ich auch bei einem Wechsel des Bankhauses nicht ändern 
können. 
Aus den jüdischen Männern kann man den Rassenteufel weder mit Beelze- 
bub noch mit Samthandschuhen austreiben. Diese Meinung hatte der alte 
Kaiser, ohne daß er sich ausdrücklich dazu bekannte.“ 
Anfang der siebziger Jahre ist Bismarck von der konservativen Seite mit 
der Verdächtigung angegriffen worden, daß er seine Beziehungen zu Bleich- 
röder unter Mißbrauch seiner Amtsstellung für seine persönliche Bereiche- 
rung ausgenutzt habe. In den einschlägigen Prozessen erwies sich die Un- 
wahrheit, und die Beleidiger wurden bestraft. 
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