mission. Der weitere Plan war, eine große Organisation zu bilden, die über
alle Städte ausgedehnt werden sollte. Graf Waldersee erläuterte: die Stadt-
mission sei nichts Politisches, wolle nur Königstreue und Pflege des patrio-
tischen Geistes. Mit der materiellen Unterstützung gehe die geistliche Ver-
sorgung Hand in Hand, und das sei das einzig wirksame Mittel, den anarchi-
stischen Tendenzen entgegenzutreten. Die Zeitungen berichten darüber,
die konservative Rechte mit hoher Befriedigung, die Linke tobte, und die
Mitte war unzufrieden. Auf der Waldersee-Versammlung hatte Prinz Wilhelm
dem Gedanken zugestimmt und ihn als ‚‚christlich-sozial‘‘ bezeichnet. Christ-
lich-sozial hatte der Hofprediger Stöcker die von ihm gegründete Partei
genannt.
Der Prinz hatte nachher gehört, daß der Kanzler mit seiner Teilnahme an
der Versammlung nicht einverstanden sei. Vorher hatte er dem damaligen
Staatssekretär Herbert Bismarck von der Versammlung erzählt und war mit
ihm in Meinungsverschiedenheiten geraten.
Prinz Wilhelm lobte Stöcker, meinte, er wäre ein Mann wie Luther und
habe das große Verdienst, durch seine Reden Tausende von Sozialdemo-
kraten gewonnen zu haben. Herbert Bismarck sagte, das sei ein Irrtum, die
Berliner gingen zwar sehr gern in lärmende Versammlungen, aber die Wahl-
beteiligung sei eine geringe, und die Zahl der sozialdemokratischen Stimmen
sei ständig gestiegen. Überdies sei Stöcker in dieser seiner Eigenschaft nicht
Geistlicher, sondern Politiker, und deshalb könne dem Prinzen nicht emp-
fohlen werden, daß er sich mit Stöcker bzw. der Christlich-sozialen Partei
identifizieren lasse.
Außerdem war in dem damaligen offiziösen Blatt, der ‚Norddeutschen
Allgemeinen Zeitung‘, ein Artikel erschienen, der nach Ansicht des Prinzen
der Anlaß für die Zeitungshetze gegen ihn und Stöcker gewesen war. Dieser
Artikel, meinte er, sei von Herbert Bismarck geschrieben worden; was nicht
der Fall war.
Prinz Wilhelm richtete nunmehr ein längeres Schreiben an Bismarck, um
diesen zu überzeugen, daß die Waldersee-Versammlung und seine Beteil-
gung an ihr gut und richtig gewesen sei. Der Brief ließ eine starke Gekränkt-
heit durchschimmern. Andererseits bediente der Prinz sich einiger schwül-
stiger Treueversicherungen: ‚Ich ließe mir stückweise ein Glied nach dem
anderen für Sie abhauen, eher, als daß ich etwas unternähme, was Ihnen
Schwierigkeiten machen oder Unannehmlichkeiten bereiten würde usw.“
Und schließlich: ‚Käme es zum Kriege, so mögen Sie nicht vergessen, daß
hier eine Hand und ein Schwert bereit sind, von einem Manne, der sich wohl
bewußt ist, daß Friedrich der Große sein Ahnherr ist und dreimal so viel
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