Kopf gestoßen, und diese seien doch beim Reiche geblieben. Nun, immerhin
kam es doch so weit, daß bei einem deutschen Fürstenbesuch in Petersburg
Prinz Ludwig von Bayern, der spätere König, in einer Rede sagte: Er und
die anderen ihn begleitenden Fürsten seien Bundesgenossen des Deutschen
Kaisers, nicht seine Vasallen. —
Die schweren Sorgen Bismarcks um die politische Entwicklung im Innern
wurden im ersten Teil dieses Buches behandelt. Der Brief des Prinzen Wil-
helm über die Waldersee-Versammlung mußte den Kanzler im Hinblick auf
das Wachsen der Sozialdemokratie beunruhigen, denn er zeigte zwei Dinge:
die leichte Beeinflußbarkeit des Prinzen durch unberufene Ratschläge und
Ratgeber im allgemeinen, außerdem die Verkennung der Sozialdemokratie
in ihrem Wesen. Auch Stöcker hat sich im Wesen der Sozialdemokratie
durchaus getäuscht. Schon sehr bald nach der Gründung seiner Partei sah
er sich genötigt, deren Namen ‚Christlich-soziale Arbeiterpartei‘ zu ändern
in „Christlich-soziale Partei‘. Mit schwerem Herzen hatte er sich überzeuegn
müssen, daß für ihn und seine Richtung alle Anstrengungen, auch nur
wesentliche Mengen der Handarbeiterschaft zu gewinnen, vergeblich waren,
ein aussichtsloses Beginnen! Er mußte sich auf Werbung innerhalb des
bürgerlichen Mittelstandes beschränken. Der weitere Verlauf. der Be-
strebungen Stöckers hat bewiesen, daß jedes Wort in Bismarcks Brief über
ihn zutreffend war. Der Kaiser aber gelangte einige Jahre zu spät zu einem
ähnlichen Urteil wie Bismarck : politische Pastoren seien ‚ein Unding‘, und:
Stöcker habe geendet, wie er, der Kaiser, immer vorausgesagt habe. Das
entsprach freilich den Tatsachen nicht.
Eine andere Frage ist, ob Bismarck vorausgesehen hat oder voraussehen
konnte, daß die Rolle der Bundesfürsten und ihre Bedeutung schlechthin im
Volk sich unrettbar auf dem absteigenden Ast befand. Noch in’ den beiden
ersten Bänden seiner ‚Gedanken und Erinnerungen‘ zollt Bismarck den
Bundesfürsten ausdrückliche, an sich durchaus verdiente Anerkennung, im
Gegensatz zum Reichstage:
„Ich hatte bei der Herstellung der Reichsverfassung befürchtet, daß die
Gefährdung unserer nationalen Einheit in erster Linie von dynastischen
Sonderbestrebungen zu befürchten sei, und hatte mir daher die Aufgabe ge-
stellt, das Vertrauen der Dynastien durch ehrliche, wohlwollende Wahrung
ihrer verfassungsmäßigen Rechte im Reiche zu gewinnen ... habe auch ich
Genugtuung gehabt, daß insbesondere die hervorragenden Fürstenhäuser
eine gleichzeitige Befriedigung ihres nationalen Sinnes und ihrer partikulären
Ansprüche fanden ...‘‘ Auf der anderen Seite habe er sich in der Innen-
politik befleißigt, in den gemeinsamen öffentlichen Einrichtungen, nament-
lich im Reichstag, in Finanzen, basiert auf indirekten Steuern und soweiter,
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