ralen Freunde in Deutschland festgeblieben sein würde. Bei derselben Ge-
legenheit bat er Bismarck, auch ihm zu dienen wie seinem Vater; er hatte
also doch wenigstens das richtige Gefühl, daß es im Lebensinteresse des
neuen Reiches liege, wenn sein Schöpfer möglichst lange noch am Ruder
bliebe.
Prinz Wilhelm fühlte sich, angesichts der neunzig Jahre seines Groß-
vaters und der Krankheit seines Vaters, schon um das Jahr 1886 als die bald
aufgehende Sonne. Als solche sahen und priesen ihn auch alle, die ebenso
eifrig wie listig bestrebt waren, die ersten zu werden, auf die die Strahlen
dieser Sonne im gegebenen Augenblick fallen würden. Ihnen erschien für
diesen ersehnten Augenblick der große Kanzler als schlimmstes Hindernis.
Ihn galt es also, wenn möglich, zu beseitigen, zum mindesten seinem Einfluß
auf den Kaiser im voraus den Boden zu nehmen. Jener General Graf Walder-
see, der schon früher versucht hatte, Bismarck zu verdrängen, um selbst
Kanzler zu werden, ein kluger, gewandter und höchst ehrgeiziger Mann,
versuchte nunmehr mit Erfolg, sich an den Prinzen Wilhelm heranzumachen,
nicht allein durch jene kirchlich und sozial maskierte Versammlung.
Man ging systematisch vor, unter Benutzung der bekannten Überheblich-
keit und Eitelkeit des Prinzen und seines auf öffentliche Geltung und Beifall
gerichteten Wesens. Waldersee sagte dem Prinzen Wilhelm: Friedrich der
Große würde niemals der Große geworden sein, wenn er nach seiner Thron-
besteigung einen Minister von der Macht und dem Einfluß Bismarcks neben
sich geduldet hätte. Solche und ähnliche Bemerkungen waren sorgfältig
auf den Charakter des Kaisers berechnete Gifttropfen, die weiterwirken
würden. Außer dem Grafen Waldersee gab es ungezählte Streber, jeder für
seine Zwecke, die ähnlich Gift träufelten und die Schwächen Wilhelms II.
benutzten und unter ebenso geschickter Benutzung der Eigenschaften Bis-
marcks zum Ziele gelangt sind.
Man hat später versucht — auch Wilhelm II. selbst in seinen Schriften
nach dem Weltkriege —, den Altersunterschied zwischen Kaiser und Kanzler
als allein maßgebend für die Unmöglichkeit eines Zusammenarbeitens zu er-
klären. Dieser Unterschied konnte selbstverständlich eine große und er-
schwerende Rolle spielen. Der Unterschied der beiden Charaktere aber ist in
Wirklichkeit das Entscheidende gewesen. Dem Fürsten Bismarck ist für die
„Schuldfrage‘“ in der Geschichte seiner Entlassung Herrschsucht zum Vor-
wurf gemacht worden: ‚Der junge, feurige und tatendurstige, geniale
Kaiser‘, zum Herrschen geboren und bestimmt, habe sich selbstverständlich
dem herrschsüchtigen dreiundsiebzigjährigen Greis nicht unterordnen
können, auch um seiner Würde willen nicht dürfen. Es kann nicht unsere
Absicht sein, den alten, längst überständigen Streit: wer ‚schuld gewesen“
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