Full text: Von Potsdam nach Doorn.

Eifersucht auf den Ruhm des großen Mannes, der ihn seiner geschichtlichen 
Leistung und seinen Erfolgen verdankte. Normalerweise hätte der junge 
Kaiser bei solchen Wahrnehmungen im Auslande stolz und froh sein und 
immer von neuem empfinden müssen, was gr persönlich, was die Hohen- 
zollern und was das deutsche Volk diesem gewaltigen Manne zu danken 
hatten, und welch ein Glück es für ihn, den Kaiser war, noch persönlich von 
dem Kanzler lernen zu können. 
Bismarck ist merkwürdigerweise recht spät zu der Erkenntnis gekommen, 
wie der Kaiser wirklich dachte. In dem dritten Band seiner ‚‚Gedanken und 
Erinnerungen“, also in den neunziger Jahren, schreibt er: ‚Wenn ich jetzt 
zurückblicke, so nehme ich an, daß der Kaiser während der einundzwanzig 
Monate, da ich sein Kanzler war, seine Neigung, einen vererbten Mentor los- 
zuwerden, nur mit Mühe unterdrückt hat, bis sie explodierte.‘‘ — Vergleicht 
man die verschiedenen, teilweise einander entgegengesetzten Worte des 
Kaisers miteinander, so erscheint dies bei kühler Prüfung als ganz un- 
zweifelhaft. Daß Bismarck aber während der Krisenzeit sich über die Lage 
ganz klar erst dann wurde, als der Kaiser ihm zweimal den Befehl übersandte, 
ihm sein Rücktrittsgesuch einzureichen, ist Tatsache. Doch wir wollen nicht 
vorgreifen. 
Die Auffassung, daß die — man kann wohl sagen: aus Ungeduld über- 
stürzte — gewaltsane Dienstentlassung des Kanzlers ihren eigentlichen Tat- 
sachengrund in dem tiefen Gegensatz der einzuschlagenden Politik gegen- 
über der Sozialdemokratie gehabt hat, wird nicht entkräftet dadurch, daß 
die Anlässe zur Vollziehung des Bruchs zum Teil anderer Art gewesen sind. 
Sie wurden vom Kaiser gesucht und herbeigeführt, um den unbequemen, 
unbiegsamen Mann nun endlich loszuwerden. 
* 
Erwähnt wurde die Äußerung des Kaisers nach einigen Ministerrats- 
sitzungen, denener beigewohnt hatte: Die Autorität Bismarcks sei eine abso- 
lute gewesen, daß er immer mehr erkannt habe, ‚daß Ich eigentlich kein 
Staatsministerium zur Verfügung hatte, sondern daß sich die Herren — aus 
langer, alter Gewohnheit — als die Beamten des Fürsten Bismarck ansahen‘“. 
Dadurch, meinte der Kaiser, werde deren selbständige Tätigkeit gelähmt. 
Als er dem Kanzler Vorwürfe machte, dieser habe seinen Ministern verboten, 
direkt und ohne Erlaubnis mit dem Kaiser zu verkehren, wies Bismarck auf 
eine Kabinettsorder von 1852 hin: Die preußischen Minister dürften nur mit 
Wissen und mit Billigung des Ministerpräsidenten in dienstliche Verbindung 
mit dem König treten. 
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