überhaupt keinem praktisch-politischen Motiv entsprang, sondern nur
wieder dem Willen, den persönlichen Gegensatz zu Bismarck zu verschärfen,
dieser wollte ihn provozieren. Als Windthorst starb, wurde er auf Veranlas-
sung des Kaisers wie ein Nationalheiliger bestattet, obgleich 1890/91 sich
nichts ereignet hatte, was das Urteil Wilhelms II. über Windthorst irgendwie
hätte ändern können.
Wilhelm II. hatte nur einen Anlaß gesucht, auch äußerlich den Bruch
endgültig herbeizuführen. Die nachherige Verherrlichung des Zentrums-
führers dagegen hatte ihren ursächlichen Zusammenhang in der Hinwendung
des Kaisers zum Zentrum, besonders zum katholischen Klerus.
Hatten diese beiden schon durch ihre Formen unausgleichbaren Gegen-
sätze ein.weiteres Bleiben Bismarcks im Amte unmöglich gemacht, so trat
noch ein Drittes hinzu, nämlich ein ungeheuerlicher Vorwurf des Kaisers.
Bismarck berichtet darüber folgendes:
Am 17. März kam ein Generaladjutant des Kaisers zum zweiten Male zu
Bismarck mit der Mitteilung von seiten des Kaisers: dieser bestände auf
Zurücknahme jener Order vom Jahre 1852. Wenn der Kanzler sie aber nicht
zurücknähme, erwarte er, daß der Kanzler sofort seinen Abschied einreiche;
Bismarck solle gleich nachmittags auf das Schloß kommen, um sich den Ab-
schied zu holen. Wir lassen Bismarck selbst sprechen:
„Ich erwiderte, ich sei dazu nicht wohl genug und würde schreiben. An
demselben Morgen kam eine Anzahl von Berichten von ‚Seiner Majestät
zurück, darunter einige von einem Konsul in Rußland. Demselben lag ein
offenes, also durch die Bureaux’ gegangenes Handbillett Seiner Majestät
bei, also lautend:
‚Die Berichte lassen auf das klarste erkennen, daß die Russen in vollstem
strategischem Aufmarsch sind, um zum Kriege zu schreiten. Und Ich muß
es sehr bedauern, daß Ich so wenig von den Berichten erhalten habe. Sie
hätten Mich schon längst auf die furchtbar drohende Gefahr aufmerksam
machen können! Es ist die höchste Zeit, die Österreicher zu warnen und
Gegenmaßregeln zu treffen, Unter solchen Umständen ist natürlich an eine
Reise Meinerseits nach Krasnoe nicht mehr zu denken. — Die Berichte sind
vorzüglich.‘ “
Bismarck erläutert: ‚„Jener Konsul hatte vierzehn starke Berichte, von
denen der älteste mehrere Monate alt war, im Gesamtumfang von mehr als
hundert Seiten, eingesandt. Sie waren nach bestehendem Brauch dem Kriegs-
minister und dem Chef des Generalstabs übermittelt worden, um den Inhalt
je nach seiner Richtigkeit dem Kaiser vorzutragen. Es handelte sich sachlich
nur darum, daß vor mehr als drei Monaten einige Sotnien russischer Kosaken
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