graphisch-strategisch blockiere. Die Insel hatte England in den Napoleoni-
schen Kriegen geraubt. Der Gedanke eines Krieges zwischen Großbritannien
und Deutschland lag so fern, daß niemand in Deutschland mit ihm rechnete.
Man überlegte auch die Möglichkeit, daß, im Falle eines deutsch-franzö-
sischen Krieges, ein neutrales England unter Umständen ein kriegführendes
Frankreich nicht hindern würde, unter dem Schutze der Insel Seestreit-
kräfte ankern zu lassen. Die Insel lag wie ein Vorposten vor den deutschen
Küsten, Flußmündungen und Häfen.
Deshalb begann der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Graf Herbert
Bismarck, im Auftrage seines Vaters bereits während der achtziger Jahre
die Wiedererwerbung Helgolands für Deutschland ins Auge zu fassen. Um
dieselbe Zeit wurde in den Jahren 1885 und 1887 im englischen Unterhaus
ein Antrag gestellt: die Insel Helgoland habe weder strategischen noch
kommerziellen Wert und nur Kosten verursacht, man möge sie doch an
Deutschland abtreten ; das würde die bereits bestehenden freundschaftlichen
Beziehungen noch enger gestalten. Die großbritannische Regierung er-
widerte auf diesen Antrag, sie lege keinen Wert auf den Besitz Helgolands,
oder wie sich der Premierminister ausdrückte: ‚‚der sentimentalen Insel‘.
Daraufhin wandte sich ein Reichstagsabgeordneter an den Chef der Admi-
ralität, General von Caprivi, den nachmaligen Reichskanzler, der erwiderte:
er erkenne die Bedeutung der Insel voll an. Über die Frage eines Erwerbes
müsse der Abgeordnete sich mit dem Auswärtigen Amt iin Verbindung setzen.
Der Staatssekretär Graf Herbert Bismarck erwiderte: die Erwerbung Helgo-
lands werde schon lange geplant, und man sei entschlossen, mit der eng-
lischen Regierung darüber zu verhandeln, sobald ein Augenblick gekommen
sei, man auch einen geeigneten Ausgleichgegenstand zur Verfügung habe.
Im damaligen Augenblick würde im englischen Parlament eine starke Oppo-
sition dagegen bestehen, und Deutschland wolle nicht die Position des
Premierministers, Lord Salisbury, erschweren.
Ende 1889 ergaben sich nun Schwierigkeiten zwischen England und
Deutschland in den afrikanischen Kolonialfragen, hauptsächlich hinsichtlich
der Insel Sansibar und einiger afrikanischer Festlandsgebiete. In diesen Ver-
handlungen nahm Deutschland zunächst eine ablehnende Stellung ein. Da
warf plötzlich Lord Salisbury die Abtretung der Insel Helgoland in die
Debatte, und zwar kurz nachdem Bismarck und sein Sohn entlassen worden
waren. Dem Premierminister muß auf geheimen Wegen bekannt geworden
sein, daß Wilhelm II. äußerst ungeduldig auf schnelle Erwerbung der Insel
drängte und diese damit zu einem wertvollen Verhandlungsobjekt für Eng-
land und dessen koloniale Ansprüche geworden war. Nun änderte sich das
englische Verhalten in den Verhandlungen vollkommen, und Deutschland
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