Full text: Von Potsdam nach Doorn.

Wie wenige mochten wohl jenes Wort des Großen Kurfürsten von Bran- 
denburg verstehen: ‚„Bedenke, daß du ein Deutscher bist!‘ Ein Wort, das 
diesem Fürsten zur höchsten Ehre gereichte;; als Motto des Alldeutschen Ver- 
bandes im neunzehnten Jahrhundert wurde es wieder lebendig: nach wie vor 
die deutsche Mahnung. Erst der Nationalsozialismus hat dem Wort die Ver- 
wirklichung der Tat und seine Erfüllung gegeben. 
Auch Friedrich Wilhelm der Erste von Preußen bekannte sich als ‚‚deut- 
scher Fürst‘‘ und hatte als solcher ausgesprochenes Ehrgefühl dem Ausland 
gegenüber; sonst war dieser Standpunkt nicht eben häufig zu finden, eben- 
sowenig wie die tyrannische, jedoch ganz unegoistische, nur auf das Gemein- 
wohl gerichtete Leidenschaft Friedrich Wilhelms, sein Volk zu erziehen, 
anstatt es auszunutzen. Ebenso wie sein großer Sohn den Vater später er- 
kannt und hoch gewürdigt hat, so ist Friedrich Wilhelm solche Anerkennung, 
besonders in unseren Tagen, verdient und reichlich geworden. Man tritt ihm 
aber nicht zu nahe mit dem Urteil, daß sein verachtungsvoller Haß gegen 
Geistesbildung und dazu die den Stock begleitende Forderung: ‚Ihr Hunde 
sollt mich lieben!‘ doch in der Linie geistiger Verarmung und Unselbständig- 
keit wirken mußte und gewirkt hat, besonders auch auf geistige Unfreiheit. 
Den großen König Friedrich hat man laut und leise getadelt, weil er sich 
mit geistig bedeutenden Ausländern umgab und ausgedehnte Briefwechsel 
mitihnen unterhielt. Das begründete sich doch vielleicht mehr, als man wahr- 
haben will, in der, natürlich von Ausnahmen abgesehen, geistigen Unfrucht- 
barkeit seines Landes, freilich auch darin, daß der König hier wenig Ermuti- 
gung zuteil werden ließ, wenn er überhaupt ein Interesse zeigte. Daß er im 
Alter für den geistigen Aufschwung in Deutschland kein Verständnis und 
keine Teilnahme mehr aufbringen konnte, ist kaum zu verwundern. Dagegen 
wurde er, obgleich er Österreich Schlesien abgenommen hatte, nur an sein 
Preußen und an dessen Macht und Zukunft gedacht hatte, der deutsche 
Held, über alle Grenzen zwischen den Fürstentümern hinweg. Goethe drückt 
es in seinem bekannten Wort prägnant aus: Man sei in der Jugend fritzisch 
gesinnt gewesen, ‚denn das ging uns Preußen an‘. Lessing erkannte in 
diesem Preußen den Gedanken und die Hoffnung deutscher Zukunft. Durch- 
schnittlich freilich beschränkte sich das deutsche Sichbewußtwerden auf 
das geistige Gebiet, im besonderen auf das schöngeistige, oft mit dem Blick 
auf weit zurückliegende — auch der damaligen Geschichtsforschung nur 
nebelhaft verstandene und bekannte — Bezirke alter deutscher Vergangen- 
heit, wie bei Klopstock ; zu erwähnen wäre da auch Stolberg und, freilich mit 
ganz anderer Kraft und L>bendigkeit: der „Götz von Berlichingen‘, ein revo- 
lutionäres Stück, dessen Helden Goethe kennzeichnet als einen ‚‚rohen, 
wohlmeinenden Selbsthelfer in wilder, anarchischer Zeit“. 
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