Genug, der Stolz auf die Vorfahren und das Suchen nach ihnen begannen,
leise wirksam zu werden. Aber diese und ähnliche Regungen waren politisch
nicht zu bemerken, konnten den politischen Sinn, Stolz und Ehrgeiz, ge-
schweige denn den deutschen, noch nicht erwecken. Die Taten Friedrichs
hatten, wie das Wort Goethes ausdrückt, nur die Bewunderung tür die große
Persönlichkeit, für den Helden erweckt und auch das nur bei solchen Men-
schen der damaligen Zeit, in denen der Sinn für Heldenbewunderung lebte.
Die Friedrich-Dichtungen von Gleim zündeten und gewannen große Volks-
tümlichkeit, wie Goethe sagt: weil sie mit und bei der Tat entstanden waren.
Aber auch darüber hinaus war eine Wirkung, die sich schon dem nationalen
deutschen Gedanken näherte: der allgemeine Jubel in Deutschland, als
Friedrich die Franzosen bei Roßbach geschlagen hatte; freilich auch: ‚‚Und
wenn der große Friedrich kommt und klopft nur auf die Hosen, so läuft die
ganze Reichsarmee, Panduren und Franzosen!“
Der Einfluß der Franzosen durch ihr Schrifttum auf den Geschmack, die
Sitten und Gebräuche und auf das ganze gesellschaftliche Leben an den Hö-
fen, in Adel und Bürgertum war ungeheuer. Da wurde Lessing, auch durch
Friedrich wieder, der große Weckerin Gestalt seiner ‚‚Minna von Barnhelm“.
Die französische Überfremdung erstreckte sich besonders auf die Sprache:
auf das „Parlieren‘. Fürsten und Adlige gingen auf diesem Wege voran, bei
vereinzelten um so rühmlicheren Ausnahmen. Dabei bildete sich im Volke
doch auch eine Gegenströmung heraus, gegen die deutschen Affen fran-
zösischen Wesens, und das ahnende Verständnis, daß Sprache und Wesen
eines Volkes diesem gehört und dessen Nachahmung durch ein anderes Volk
würdelos, unerfreulich, korrumpierend und lächerlich wirkt.
Das Bürgertum, auf so viele kleine Staaten verteilt, beieiner nach unseren
heutigen Maßstäben unglaublich dünnen Bevölkerung, wolltein der Haupt-
sache Ruhe und Frieden, um mit Fleiß und Beharrlichkeit wieder allmählich
vorwärtszukommen; auch das deutsche Bildungsstreben regte sich wieder.
Die in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts lebenden Gene-
rationen, im Gesamtrahmen der wirtschaftlichen Lage noch unter den
furchtbaren Wirkungen des Dreißigjährigen Krieges leidend, in niedriger
Lebenshaltung langsam sich Schritt für Schritt emporarbeitend, strebten
nach allem, was ihre Vorfahren der vergangenen hundert Jahre und vorher
hatten entbehren müssen, nach einer gewissen Gemütlichkeit und Unange-
fochtenheit des täglichen Lebens, Pflege der Familie und, in diesem Be-
reiche der Familien untereinander, nach Bildung, nach Teilnahme an den
Fortschritten auf den Gebieten der Wissenschaft, des Geistes, der For-
schungen auf der Oberfläche des Erdballs, der Entwicklung der Technik.
Dazu kam, daß die beginnende Entwicklung des Verkehrs, die Anfänge kapi-
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