Full text: Von Potsdam nach Doorn.

Mangel an Ehrfurcht vor einem solchen Manne. Da sprach Bismarck, aus 
irgendeinem Zusammenhange heraus, ein Wort, das sich uns in seiner pro- 
phetischen Schwere eingrub: ‚Majestät, solange Sie dies Offizierkorps 
haben, können Sie sich freilich alles erlauben ; sollte das nicht mehr der Fall 
sein, so ist es ganz anders.‘ An der scheinbaren Nonchalance, mit der das 
herauskam, als ob nichts darin läge, zeigte sich eine großartige Geistesgegen- 
wart; daran konnte man den Meister erkennen.“ 
Bismarck starb im Sommer 1898 — der Kaiser befand sich gerade auf 
seiner jährlichen Nordlandfahrt an Bord der ‚Hohenzollern‘. Da Bismarcks 
Befinden schon vorher zu Besorgnissen Anlaß gegeben hatte, so hatte der 
Kaiser verlangt, laufend über das Befinden unterrichtet zu werden, weil er 
sich vorgesetzt hatte, wegen des Eindrucks in der Öffentlichkeit beim 
Sterben des Fürsten zugegen zu sein. 
Die Familie Bismarck wollte es nicht zu einer solchen ‚„hochherzigen“ 
Bühnenszene kommen lassen und veröffentlichte, kurz vor dem Tode des 
Fürsten, Nachrichten, die auf eine leichte Besserung des Befindens lauteten. 
So erhielt der Kaiser erst die Nachricht vom erfolgten Tode Bismarcks. 
Die Berichte, besonders des den Kaiser begleitenden Fürsten Eulenburg, 
zeigen die große Erleichterung: ‚Gott sei Lob, der den alten Kanzler zu 
einer rechten Stunde abrief.‘“ — Der Kaiser telegraphierte an den Fürsten 
Herbert von seinem tiefen Schmerz: ‚Teilnehmend an dem Schmerz, der 
Sie alle um den teueren (!) großen Toten erfaßt, beklage Ich den Verlust von 
Deutschlands großem Sohne, dessen treue Mitarbeit an dem Werke der 
Wiedervereinigung unseres Vaterlandes ihm die Freundschaft Meines in Gott 
ruhenden Großvaters, des Großen Kaisers Majestät, fürs Leben erwarb, und 
den unauslöschlichen Dank des ganzen deutschen Volks für alle Zeiten. Ich 
werde seiner Hülle in Berlin im Dom an der Seite Meiner Vorfahren die letzte 
Stätte bereiten.‘‘ — Fürst Herbert Bismarck dankte und teilte dem Kaiser 
mit, sein Wunsch wegen der Beisetzung könne nicht erfüllt werden, da der 
verstorbene Fürst bereits vorher letztwillige Anordnungen über sein Be- 
gräbnis getroffen habe. Auch dieser Bühnenakt war glücklich vereitelt 
worden! 
Wie Eulenburg in seinem Tagebuch schreibt, war Wilhelm II. in sehr 
schlechter Stimmung: ‚Wenn dem Armen ganz schlecht zu Mut ist, so bleibt 
er, wenn irgend möglich, allein mit mir.“ — Dem Kaiser war es begreif- 
licherweise ein Strich durch seine Rechnung, daß die Familie Bismarckeinen 
Trauerauftritt am Bett des sterbenden Bismarck vorausgesehen und ver- 
hindert hatte. In Kiel mit dem Kaiser angekommen, trifft er Bülow, ‚mit 
dem mich auszusprechen eine Wohltat war. Er machte sein gewisses Trauer- 
gesicht, aber wohl ‚innerlich‘! Denn dieser Tod kam Ihm, um ehrlich zusein, 
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