Full text: Von Potsdam nach Doorn.

und den Küstenprovinzen zurückzuziehen, denn die Gesandtschaften seien 
befreit und keine Gefahr mehr für die Ausländer; und das unmittelbar, 
nachdem der Deutsche Kaiser nicht nur an Waldersee, sondern an die aus- 
gehenden Soldaten und Offiziere ein halbes Dutzend Reden gehalten hatte. 
Auf seiner Jacht ‚Hohenzollern‘ hielt er eine lange Schiffspredigt, alle 
müßten beten fifr die Kämpfer in Ostasien, die jetzt dort kämpfen würden 
wie seinerzeit das auserwählte Volk des Herrn gegen die Amalekiter. 
In Wilhelmshaven hielt der Kaiser an das erste abfahrende Expeditions- 
korps eine Rede, in der er u. a. folgendes sagte: ‚Ihr wißt es wohl, ihr sollt 
fechten gegen einen tapferen, gut bewaffneten, grausamen Feind. Kommt 
ihr an ihn, so wisset, Pardon wird nicht gegeben, Gefangene werden nicht 
gemacht. Führet eure Waffen so, daß auf tausend Jahre hinaus kein Chinese 
mehr es wagt, einen Deutschen scheel anzusehen. Ihr sollt aber auch rächen, 
nicht nur den Tod des Gesandten, sondern auch den vieler Deutschen und 
Europäer.“ 
Diese Stelle der kaiserlichen Rede rief natürlich gewaltiges Aufsehen her- 
vor, zumal er in einer anderen Rede jener Tage den Soldaten auch gesagt 
hatte, sie müßten wüten wie die Hunnen. Die ‚Hunnenrede‘ wurde auch im 
Ausland nicht vergessen; ihr war auch zu verdanken, daß die Deutschen im 
Weltkriege von den Feinden die Hunnen genannt wurden. Auch der Sozial- 
demokratie und Demokratie lieferte der Kaiser wieder einen höchst er- 
giebigen Agitationsstoff. Abgesehen davon und dem großen Gelächter des 
gesamten Auslandes war der ganze Bombast für nichts gewesen: die ‚„Hun- 
nenrede‘‘, die ‚Seepredigt‘‘ und die ‚„Vorschußlorbeeren“ für den Grafen 
Waldersee. Als die Truppen in China angekommen waren, harrten ihrer 
keinerlei größere Aufgaben, und das Oberkommando des ‚Weltmarschalls‘ 
blieb durchaus illusorisch, rein formal, und Graf Waldersee war klug genug, 
die Wirksamkeit seines ‚Welt‘‘-Oberbefehls nicht auf die Probe zu stellen. 
Der Deutsche Kaiser hatte als Sühne für die Erschießung des deutschen 
Gesandten in Peking die Forderung an die Kaiserin gestellt, einen Prinzen 
des Kaiserlichen Hauses nach Berlin zu senden und vor dem Kaiser ab- 
zubitten. China ging bereitwillig darauf ein, und nachdem der China- 
rummel längst verraucht war und einem entsprechenden Katzenjammer 
Platz gemacht hatte, traf endlich der ‚Sühneprinz‘“ — wie selbst der Reichs- 
kanzler Bülow ihn ironisch nannte — ein, unter allgemeinem europäischem 
Gelächter auf Kosten des Deutschen Reiches und im besonderen des Kai- 
sers. Diesem hatten wohl jene historischen Bilder, früherer Zeiten vor- 
geschwebt, wo der Fürst oder Monarch, mit dem Zepter in der Hand, auf 
dem Thron sitzt, vor sich den Repräsentanten eines unterworfenen Stammes, 
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