Full text: Von Potsdam nach Doorn.

Indem Abkommen von 1904 lag, wenn schon nicht unmittelbar dem Wort- 
laut nach, ein Verstoß gegen die Madrider Konvention vor, wenn z.B. 
Frankreich in dem Abkommen erklärte, es habe nicht die Absicht, ‚‚den po- 
litischen Zustand Marokkos zu ändern‘. Diese Formel schloß nicht aus, daß 
eine französische Regierung jeden Tag diese ihre Absicht ändern konnte, 
ohne den Wortlaut des Abkommens zu verletzen. Es lag aber bereits eine 
ideelle Verletzung der Madrider Konvention vor, denn auf dieser hatten, wie 
gesagt, das Land Marokko, der Sultan und seine Regierung als unabhängig 
gegolten. 
Nach der Veröffentlichung des Abkommens 1904 erklärte Bülow im 
Reichstag: Deutschland habe keinen Grund zur Annahme, daß das Abkom- 
men eine Spitze gegen eine andere Macht enthalte. Der Versuch scheine vor- 
zuliegen, eine Reihe von Differenzpunkten zwischen England und Frank- 
reich zu bereinigen. Dagegen könne Deutschland nichts einwenden, denn ein 
gespanntes Verhältnis zwischen Frankreich und England wünsche Deutsch- 
land nicht, da es den Weltfrieden wünsche. — ‚‚Unsere merkantilen Inter- 
essen in Marokko müssen und werden wir schützen. Wir haben keinen 
Grund, zu befürchten, daß diese unsere Interessen in Marokko von irgend- 
einer Macht mißachtet oder verletzt werden könnten.“ 
Das war sehr vorsichtig ausgedrückt und zugleich das indirekte Ein- 
geständnis einer politischen Niederlage des Deutschen Reiches. Als dem 
Kanzler dies im Reichstag vorgeworfen wurde, erwiderte er mit der schönen 
Phrase: für die deutschen Interessen sei es nicht erforderlich, Zwietracht 
zwischen anderen Mächten zu stiften oder bestehende Zwiespalte offen- 
zuhalten. Fs war niemand im Reichstage, der dem Kanzler entgegnet hätte: 
daß Deutschland allerdings das größte Interesse an der Verhinderung von 
Koalitionen habe, die nur aus Gegnerschaft gegen Deutschland entstanden 
sein konnten. Wir brauchen es heute nicht mehr darzulegen, denn die ver- 
gangenen Jahrzehnte haben gezeigt, daß die englisch-französische Entente 
cordiale von 1904 der Brennpunkt und Kraftmittelpunkt der Kräfte ge- 
wesen und geblieben ist, die seitdem das Deutsche Reich als unabhängige 
Großmacht zu beseitigen unaufhörlich versuchten. 
Im März 1905 erregte es deshalb großes Aufsehen, als Fürst Bülow auf 
Kritiken hin im Reichstage sagte: er verstehe sehr gut, wenn man sich mit 
dem ‚‚In-und-um-Marokko“ beschäftige: ‚Ich erachte es als eine Pflicht der 
deutschen Regierung, dafür zu sorgen, daß auch in Zukunft unsere wirt- 
schaftlichen Interessen in Marokko nicht geschädigt werden.‘ 
Was war seit dem Frühling des Vorjahres mit dem ‚In-und-um-Marokko“ 
geschehen ? 
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