Full text: Von Potsdam nach Doorn.

Gegnern beschimpft zu werden. Bismarck meinte: wenn ihn das Ausland 
lobe, so habe er den Verdacht, eine Dummheit begangen zu haben, und: bei 
jedem Lob des Auslandes sei ein ‚‚kluges Mißtrauen‘‘ am Platze. Im Falle 
Wilhelms 11. lagen die Dinge anders: das Ausland hatte begriffen, daß er 
nicht der starke Mann war, als der er scheinen wollte und vielen erschienen 
war. Und eben über diese Entdeckung seiner Schwäche war man in Frank- 
reich wie in England, wie in Rußland selbstverständlich hoch erfreut und um 
so mehr bereit, seine Worte und seine Posen zu verspotten. Daß der König 
von England sich seiner Umgebung gegenüber sehr ungeniert über seinen 
Neffen äußerte, wurde ebenfalls schnell bekannt. Zwischen dem Onkel und 
dem Neffen bestand ein ungezügelter persönlicher Haß, dem der Kaiser, so- 
bald sein Temperament ihn veranlaßte, drastischen Ausdruck zu geben 
pflegte. Als Wilhelm II. bei einer solchen Gelegenheit dem englischen Bot- 
schafter in Berlin sagte: dieser brauche das nun nicht alles gleich nach Lon- 
don zu berichten, antwortete dieser lachend, wenn er das bisher getan hätte, 
so würden Deutschland und Großbritannien schon längst im Krieg sein. 
Als Prinz von Wales hatte der spätere Eduard VII. sich nicht durch 
Tugend ausgezeichnet, war auch nicht immer wählerisch in seinem Umgang 
gewesen. Der damalige Prinz Wilhelm hatte sich in strenger moralischer 
Mißbilligung über einen Fall geäußert, der längere Zeit europäisches Skan- 
dalgespräch war: der Prinz von Wales hatte beim Glückspiel mit einem 
Manne gespielt, der als Falschspieler demaskiert wurde. Im Kasino seines 
Regiments hatte daraufhin Prinz Wilhelm gesagt und dabei schärfste Aus- 
drücke gebraucht: mit dem Prinzen von Wales könne man nicht mehrgesell- 
schaftlich verkehren. Dies war schnell zu Ohren des Prinzen von Wales ge- 
kommen, und seitdem bestand die verwandtschaftliche Bindung zwischen 
den beiden in aufrichtigster und tätiger Abneigung. 
Man kann nicht sagen, daß der König von England von vornherein auf 
einen Krieg mit Deutschland ausgegangen wäre. Sein großes, mit Geschick- 
lichkeit und Psychologie und Ausdauer eingeleitetes Werk der Einkreisung 
Deutschlands hatte als erstes Ziel wohl nicht den Krieg, sondern eine dau- 
ernde ‚friedliche‘‘ Belagerung, Isolierung und Bedrohung des Deutschen 
Reiches. Der Druck sollte, vereint mit dem des russisch-französischen Zwei- 
bundes, in Fällen von Spannungen und Krisen genügen, um die politischen 
und wirtschaftlichen Ziele Englands jeweilig zu erreichen. 
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