wulenburg hat hierzu noch verzeichnet: er habe nicht das Gefühl gehabt,
daß der Kaiser ihn verstanden habe.
Fürst Philipp Eulenburg hat kurz darauf am allerbittersten selbst er-
fahren müssen, daß der Kaiser ihm, seinem unbedingt ergebenen und treuen
Freunde, in der schwersten, tödlichen Krisis seines Lebens die Treue nicht
hielt. Eulenburg hat in diesen seinen Vorhaltungen eine Eigenschaft nicht
genannt. Hat er sie gekannt und voll ermessen, so wäre gleichwohl begreiflich
gewesen, wenn er sie dem Kaiser nicht genannt hätte, nämlich die Schwäche
und den Mangel an moralischem Mut. Wir haben diese Eigenschaft schon in
der Skizzierung der auswärtigen Politik Wilhelms II. feststellen müssen,
auch das Ausland hatte sie kennengelernt. In Deutschland nahm man die
autokratischen Neigungen des Kaisers bald ernst, bald wurde man wieder
daran irre und meinte, der Kaiser sei doch eigentlich kein Autokrat, sondern
werde nur ab und zu von der Impulsivität seines Temperaments übermannt,
spreche Dinge, die er eigentlich nicht meine, und gäbe seinen Worten auch
nicht durch Handlungen Folge. Es fehlte in diesen Urteilen das Wesent-
liche, nämlich die Feststellung der Schwäche, um nicht zu sagen Furcht-
samkeit. Dieser Furchtsamkeit hielt auch die Treue nicht stand: Als in der
Voruntersuchung seines Prozesses auf Befehl des Kaisers dem Fürsten
Eulenburg seine Orden abverlangt wurden, schrieb dieser zugleich mit der
Abgabe: seine Orden hätten nur in Anbetracht der besonderen Gnade, die
ihm der Kaiser immer erwiesen habe, persönlichen Wert für ihn gehabt:
„Deshalb haben diese Gegenstände ihren Wert auch vollkommen verloren
mit dem Augenblick, da Seine Majestät im Andrang der öffentlichen und
privaten Meinungen mich plötzlich fallen ließen.‘
Es war in der Tat die Angst vor dem ‚Andrang der Meinungen“, die den
Kaiser zwang, den einzigen wirklichen Freund, während eines Zeitraumes
von zwanzig Jahren, fallen zu lassen. Am selben Tage schrieb Eulenburg in
sein Tagebuch unter Bezugnahme auf die Abforderung der Orden:
„Welcher Ekel erfaßt mich! Aber auch dieses Kreuz werde ich tragen. Ich
will niederschreiben für die, die einst diese Zeilen lesen, was Könige sind, die
ihrem ‚besten Freunde‘ sagen, ‚daß sie bis zu ihrem letzten Atemzuge nicht
vergessen werden, was man für sie tat‘.“
Was den Kaiser zurückhielt, während seiner Regierungszeit seinem inner-
sten autokratischen Drange Folge zu geben, war letzten Endes eben die
Schwäche und das wohl meist nur halbbewußte Gefühl der Angst vor Wider-
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