Full text: Von Potsdam nach Doorn.

Staatsmann Europas, den eigentlichen Schöpfer des Reichs, oft genug gegen 
den Willen des Königs, und den größten General Europas, als Handlanger 
genannt zu hören, stieß auf beinahe allgemeine Mißbilligung in Deutsch- 
land, vielleicht noch mehr als die geschichtlichen Verdrehungen, war es, daß 
man die Absicht merkte, und durch sie bitter verstimmt wurde, nämlich: 
der König, der Kaiser gibt die Gedanken, gibt die Richtung, und seine Hand- 
langer versuchen, diese als brave, tüchtige Ratgeber auszuführen. Die Be- 
zeichnung, die Wilhelm II. auf seinen Großvater anwendete: ‚gewaltiger 
Mann‘, paßte gar nicht auf ihn, aber um so mehr paßte sie auf Bismarck und 
Moltke. Die unausgesprochene Schlußfolgerung war: so wie mein Großvater 
alles vorher im Kopfe fertig hatte und nur wartete, bis der Augenblick der 
Ausführung reif war, so ist es auch mit mir, Wilhelm II., bestellt, meine 
Minister und meine Ratgeber sind nur meine Handlanger! Und meines Groß- 
vaters politischen Handlanger habe ich wegen ungenügend gewordener Lei- 
stung entlassen! 
Die unausgesetzte Wiederholung dieses Themas, bei den verschiedensten 
Anlässen, oder auch ohne Anlaß, an den verschiedensten Orten, würde man 
heute als eine planmäßige Propaganda des Kaisers bezeichnen. Auch den 
Greßen Kurfürsten von Brandenburg hatte er sich als Propagandamittel 
ausersehen, selten ohne, entweder offen auszusprechen oder anzudeuten, daß 
er, Wilhelm 11., von derselben Vorsatzfestigkeit, Tatkraft und Entschlossen- 
heit sei, wie der Große Kurfürst. Hätte das nur gestimmt, so würde man ihm 
nichts übelgenommen haben, und er wäre ein Führer gewesen. 
Als zum mindesten peinlich auch wurde empfunden, wenn er bei einer 
Denkmalseinweihung von der Liebe sprach, die er zu seinen Eltern gehabt 
habe. Das Gegenteil war bekannt genug, daß auf beiden Seiten gegenteilige 
Gefühle bestanden hatten. Oder wenn er von seinem Vater als ‚einem 
Kriegsgott‘‘ und als einem großen Heerführer sprach. Der bedauernswerte 
Kronprinz Friedrich Wilhelm und spätere Friedrich III. würde diese Attri- 
bute ohne weiteres zurückgewiesen haben. Überdies konnte niemand einen 
Augenblick glauben, daß Wilhelm II. selbst der Meinung war. Den monar- 
chischen Sinn, die Anhänglichkeit an die Monarchie, das Vertrauen zu dem 
Monarchen, die unbedingte Ergebenheit und Gefolgschaft für die Per- 
sönlichkeit ‚‚durch dick und dünn“, wie er auf einem anderen Branden- 
burgischen Provinzial-Landtag erklärte — das alles konnte am aller- 
wenigsten so erworben werden. 
Betrachten wir den Gegenstand unter einem anderen Gesichtspunkt: 
sämtliche deutsche Bundesstaaten hatten Parlamente, überhaupt ‚‚Ver- 
fassungen‘“ verschiedener Art, die einen schlechtere, die anderen bessere. Das 
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