zeichnungen den Stempel der Wahrheit tragen, anständig und sachlich ab-
gefaßt sind. Ähnliches gilt von den Aufzeichnungen anderer Verfasser, die
jeder Schilderer des Kaisers und seiner Regierung benutzen muß. Vorwürfe
der Unwahrhaftigkeit sind gegen alle jene Angaben niemals erhoben worden,
ebensowenig des Irrtums.
In der Antwort des Kaisers an Professor Slaby spricht sich unverhüllt naiv
seine Überheblichkeit und Eitelkeit aus, die seine Eltern als seinen Haupt-
wesenszug genannt haben, die gefährlichste Eigenschaft, die einem Mon-
archen eigen sein kann, schon deshalb, weil sie der Schmeichelei, dem
Byzantiner, die Tür weit und einladend öffnete. Von Wilhelm I. schreibt
Bismarck: ‚Niemand hätte gewagt, ihm eine platte Schmeichelei zu sagen.‘
In dem Gefühl königlicher Würde würde er gesagt haben: ‚Wenn einer das
Recht hätte, mich ins Gesicht zu loben, so hätte er auch das Recht, mich ins
Gesicht zu tadeln — beides gab er nicht zu.“
Königliche Würde, wirkliche Würde überhaupt, war Wilhelm II. nicht
eigen, die Pose stand an ihrer Stelle; ein hartes Wort, aber für eine Tatsache.
Er brauchte Lob und Schmeichelei und forderte, wie der Generalfeldmar-
schall Graf Waldersee in seinen Denkwürdigkeiten schreibt, Schmeicheleien
heraus, indem er fragt: ‚, ‚Wie war Meine Rede ?‘ oder: ‚Habe Ich das nicht
gut gemacht ?° Selten ist dann jemand so brav, ihm seine wirkliche Ansicht
zu sagen. Oft aber treten die Biedermänner direkt an ihn heran und sagen
ihm die fadesten Elogen, teils direkt über gewisse Handlungen, teils auf
einem Umwege, indem sie über Menschen hart urteilen, von denen sie wissen,
daß der Kaiser gegen sie eingenommen ist.“
In ‚Kaiser Wilhelm II. und die Byzantiner‘ schrieb der Verfasser: ‚Wenn
Treitschke die Bedientengesinnung im Rückblick auf die Zeiten Friedrich
Wilhelm IV als einen Bodensatz bezeichnet, der infolge der Aufwallung
wahrhaftiger Königstreue aufgewirbelt wurde — also öffentlich in Er-
scheinung trat —, so trifft das auf unsere Zeit leider nicht mehr zu. Heute
erfüllt sie, die Bedientengesinnung, die Luft und bildet einen Bestandteil der
Atmosphäre unseres öffentlichen Lebens, ohne jede Neigung, ihre frühere
bescheidene Rolle als Bodensatz wiedereinzunehmen.
In seinem Buch vom ‚Fürsten‘ sagt Macchiavelli: ‚Die Fürsten haben
tatsächlich nur ein gutes Mittel, um sich gegen die Schmeichelei zu schützen:
keinen Zweifel darüber zu lassen, daß man ihnen nicht mißfallen kann, wenn
man die Wahrheit sagt.‘‘ — In seinem Anti-Macchiavell schreibt Friedrich
der Große unter anderem: ‚Für Fürsten von Verdienst ist die Schmeichelei
wie ein Rost, der sich an ihren Ruhm setzt und dessen Glanz verdunkelt.
Ein Mann von Geist empört sich gegen die plumpe Schmeichelei und stößt
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