Blätter gelegentlich den Kaiser als ‚den ersten Reisenden des Geschäfts-
hauses Deutschland‘‘ priesen. Das sei heute die eigentliche Aufgabe des
Monarchen! Verbreitung solcher Auffassungen, die dem Kaiser durchaus
nicht unangenehm war, beschränkte sich durchaus nicht auf jüdische
Finanzkreise. Es gehörte vielmehr zu den ‚modernen Anschauungen“ des
damaligen Deutschlands, daß dessen Zukunft auf dem Reichwerden beruhe.
Angesichts jenes tropischen Wachsens der deutschen Industrie und des
ebenso schnellen Steigens der Lebenshaltung aller Schichten und Klassen in
Deutschland und der Zunahme des räumlichen Wachsens des deutschen
Welthandels auf der Erdoberfläche lagen solche Anschauungen nahe, sie
waren diejenigen eines geldlich zu schnell erfolgreichen und materiellem
Wohlleben zuneigenden Parvenus.
Der Jude Walter Rathenau hat nach dem Kriege jenes unwahre und
flache Wort gesprochen, die Wirtschaft sei das Schicksal. Das Deutschland
der neunziger Jahre und der ersten anderthalb Jahrzehnte nachher lebte
recht weitgehend in dieser Auffassung. Professoren der Volkswirtschaft, die
sich in hohem Grade der Gunst des Kaisers erfreuten, vertraten — ohne
Widerspruch zu erfahren — die These, daß im Grunde genommen Sinn und
Zweck der auswärtigen Politik Deutschlands ausschließlich auf dem Gebiete
der Wirtschaft lägen; das waren keine Juden. In eben diesem Sinne wurde
auch das kaiserliche Schlagwort der ‚Weltpolitik‘ von jener Richtung ver-
treten. Die deutsche Wirtschaft wachse sich immer unauflöslicher in die
Weltwirtschaft hinein, und diesen friedlichen internationalen Wettbewerb
habe die Weltpolitik zu stärken, das könne lediglich die Erhaltung des
Weltfriedens sichern, denn kein Land, am allerwenigsten Großbritannien,
habe das Interesse, seinen besten Käufer totzuschlagen, oder ihm die Kauf-
kraft zu nehmen. Ein Jahr vor dem Weltkriege noch schrieb ein Günstling
und hoher Beamter in der Reichskanzlei in diesem Sinne und sagte: der
Papierkrieg der Zeitungen werde natürlich fortdaucrn, aber der Waffenkrieg
werde nicht kommen, die Rüstungen selbstverständlich bleiben. Dies war
auch die Ansicht Wilhelms II.
Der König und sein Adel und seine Sozialdemokratie
Hier war er, in den damaligem Sinne aufgefaßt, ganz modern. Aus dieser
Modernität ging seine verhängnisvolle Freihandelspolitik, vertreten durch
den unglücklichen Caprivi, hervor, die er nachher, gezwungen durch die Not
der Landwirtschaft und die wirksame Agitation des Bundes der Landwirte,
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