um die Jahrhundertwende zum Teil wieder aufgab. Für Handel und In-
dustrie hatte der Kaiser auch persönlich weit mehr Interesse und persönliche
Neigung als für die Landwirtschaft. Er pries diejenigen preußischen Könige:
Friedrich Wilhelm I., seinen großen Sohn, Friedrich II., die beide die Be-
deutung des Bauern erkannt hatten, aber ihm selbst fehlte der Sinn für die
eigentliche Landwirtschaft überhaupt. Auf einem großen, reichen Gut zu
Gast sein, war etwas anderes! Umgekehrt nahm er es den durchweg adligen
Großgrundbesitzern Preußens schwer übel, wenn diese sich der Politik seines
Reichskanzlers gegenüber nicht zustimmend verhielten, sondern Opposition
machten. In jenen schwersten Notzeiten der Landwirtschaft, infolge der
mörderischen Handelsvertrag-Politik Caprivis, sagte der Kaiser in Königs-
berg an die Vertreter der Provinz Westpreußen u. a.:
Es scheine ihm, die Landwirtschaft zweifle in diesen Jahren schwerer
Sorgen, ob seine, des Kaisers, Versprechungen gehalten werden könnten.
‚Ja, Ich habe sogar tiefbekümmerten Herzens bemerken müssen, daß aus
den Mir nahestehenden Kreisen des Adels Meine besten Absichten miß-
verstanden und zum Teil bekämpft worden sind, ja, sogar das Wort Oppo-
sition hat man Mich vernehmen lassen. Meine Herren! Eine Opposition
preußischer Adliger gegen ihren König ist ein Unding, sie hat nur dann eine
Berechtigung, wenn sie den König an ihrer Spitze weiß, das lehrt schon die
Geschichte dieses Hauses.‘‘ — Die preußischen Adligen hätten nicht zu ver-
fahren wie die ‚gewerbsmäßigen‘‘ Oppositionsparteien, sondern sich in ver-
trauensvoller Aussprache an ihren Souverän zu wenden.
Die Not der Landwirtschaft müsse man ertragen als eine von Gott (!) auf-
erlegte Prüfung. ‚Halten wir still, ertragen wir sie in christlicher Duldung, in
fester Entschlossenheit und in der Hoffnung auf bessere Zeiten.‘‘ — Die
Rede endete mit einem Aufruf gegen die Sozialdemokratie. Das am Tage
vorher enthüllte Denkmal Wilhelms I. ‚mahnt uns alle an den ernsten
Kampf wider die Bestrebungen, die sich gegen die Grundlage unseres staat-
lichen und gesellschaftlichen Lebens richten. Nun, Meine Herren, an Sie geht
jetzt Mein Ruf: auf zum Kampf für Religion, für Sitte und Ordnung, gegen
die Parteien des Umsturzes!
Wie der Efeu sich um den knorrigen Eichenstamm legt, ihn schmückt mit
seinem Laub und ihn schützt, wenn Stürme seine Krone durchbrausen, so
schließt sich der preußische Adel um Mein Haus. Möge er und mit ihm der
gesamte Adel deutscher Nation ein leuchtendes Vorbild für die noch zögern-
den Teile des Volkes werden, wohlan denn, lassen Sie uns zusammen in
diesen Kampf hineingehen! Vorwärts mit Gott, und ehrlos, wer seinen König
im Stich läßt.‘
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