Full text: Von Potsdam nach Doorn.

kratien Deutschlands‘‘ verhandeln: ‚dann kann Deutschland über keine 
Friedensbedingungen verhandeln, sondern muß sich ergeben. Diese wesent- 
lichen Dinge können nicht unausgesprochen bleiben.“ 
Damit war das entscheidende Wort gesprochen, die entscheidende Hand- 
lung mußte unmittelbar folgen. ‚Die vertrauenswerten Vertreter des Volks‘ 
waren hochzufrieden. Wilson hatte ihnen damit den Dolch in die. Hand ge- 
drückt, um der Monarchie den Gnadenstoß zu geben. Die vertrauenswerten 
Vertreter erfaßten den Augenblick schnell: uns vertrauen die Feinde, mit 
uns wollen sie verhandeln, aber nicht mit dem verruchten alten Regime. 
Jetzt werden wir von dem edlen Präsidenten Wilson den Frieden der Ge- 
rechtigkeit erhalten, auch auf einer Friedenskonferenz auf gleichem Fuß mit 
den Feindmächten verhandeln können. Das Volkswohl fordert also gebiete- 
risch die Beseitigung der monarchischen Verfassung und der Monarchie! 
Die mittlerweile eingesetzte ‚‚Volksregierung‘ antwortete ungesäumt dem 
amerikanischen Präsidenten: ‚Die Friedensverhandlungen werden von einer 
Volksregierung geführt, in deren Händen die entscheidenden Machtbefug- 
nisse tatsächlich und verfassungsmäßig ruhen. Ihr sind auch die militärischen 
Gewalten unterstellt.‘‘ — Zu den ‚militärischen Gewalten‘‘ gehörte auch der 
Kaiser als der verfassungsmäßige Oberste Kriegsherr. Durch dieses Tele- 
gramm der sogenannten Volksregierung hatte er sich schweigend der Volks- 
regierung unterstellen lassen. 
Der Prinz von Baden trat zurück, der Sozialdemokrat Ebert wurde Reichs- 
kanzler, Deutschland war anerkanntermaßen autoritativ durch den Marxis- 
mus vertreten. Das offizielle Regierungsorgan war nunmehr das von Juden 
geleitete Parteiorgan der Sozialdemokratie, der ‚Vorwärts‘ 
Die Kaiserkrisis trat damit in ihr letztes Stadium. Sozialdemokratie und 
Demokratie waren sich, freilich nicht lange, unschlüssig, jedenfalls in den 
Meinungen geteilt, ob der letzte Schlag gleich zu führen sei oder nach einer 
gewissen Übergangszeit. In einer Versammlung erklärte ein sozialdemo- 
kratischer Abgeordneter: 
‚Über den Kaiser werden im Auslande, sowie auch im Inlande, Stimmen 
laut, daß seine Abdankung zur Erlangung des Friedens notwendig sei. Bei 
der Behandlung dieser Frage sollten wir uns nicht von Stimmungen leiten 
lassen. Gewiß, wir Sozialdemokraten sind Republikaner und haben als solche 
keine Veranlassung, uns als Schutzwall vor die Hohenzollern zu stellen, aber 
darüber können wir uns keiner Täuschung hingeben : die Mehrheit des deut- 
schen Volks ist heute noch monarchisch gesinnt.‘ 
Die radikalen Führer der Sozialdemokratie dachten freilich anders. Der 
derzeitige sozialdemokratische Staatssekretär Scheidemann richtete im Ein- 
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