Full text: Von Potsdam nach Doorn.

Es war etwas anderes, als nicht lange vorher, bei dem Zusammenbruch 
Bulgariens, der Zar aus dem Hause Coburg dem Thron entsagte und Bul- 
garien verließ. Einst war er dorthin geholt worden, um über das fremde und 
durch keinerlei Beziehungen ihm nahestehende bulgarische Volk zu herr- 
schen, nach außen für seine nationale Unabhängigkeit und Größe und für 
seine innere Entwicklung zu arbeiten. Jahrzehntelang hatte er sich dieser 
Aufgabe mit großem Erfolge gewidmet. Dann, im Weltkrieg, kämpfte unter 
seiner Führung Bulgarien auf der Seite Deutschlands und Österreich- 
Ungarns. Je ungünstiger im Jahre 1918 die Kriegslage sich gestaltete, desto 
stärker wirkten die dem Zaren feindlichen Einflüsse in Bulgarien, energisch 
und geschickt unterstützt durch Rußland, England und Frankreich. Bei 
Eintritt des militärischen Zusammenbruchs sah Zar Ferdinand sich ver- 
lassen, ohne Macht und Autorität. Er verließ das Land und überließ die 
Regierung seinem Sohn. Niemand wunderte sich darüber, jeder fand es selbst- 
verständlich. Bulgarien ging über dieses Ereignis zu der ihm von den Ver- 
hältnissen aufgenötigten neuen Tagesordnung über. — 
Die Abdankung und der Verzicht Wilhelms II. aber und sein Übertritt 
nach Holland waren ein weltgeschichtliches Ereignis; für das Deutsche Reich 
und Volk eine Katastrophe im Sinne des Wortes, vollends mit dem Ver- 
zicht des Kronprinzen auf die Thronfolge. Abgesehen höchstens von den Ver- 
tretern und dem großen Gefolge des Marxismus und linken Demokraten, hat 
die deutsche Bevölkerung dies nicht für möglich gehalten. Nicht einmal als 
eine Frage war ihr eine solche Möglichkeit in den Sinn gekommen. 
Daß das große und ruhmvolle Ereignis von 1870/71 mit einem Male in den 
Abgrund versinken könne, das stolze neue Reich Bismarcks, Moltkes und 
Wilhelms I. verschwinden, so verschwinden konnte, erschien unfaßlich. 
Vor einer schauerlichen Unbegreiflichkeit auch stand man, angesichts des 
gleichzeitigen Abdankens der sämtlichen Bundesfürsten. Im Verlauf von 
drei Tagen fielen sie von und mit ihren Thronen, wie die dürren Blätter im 
Novemberwind von den Bäumen. 
Die in den neunziger Jahren geschriebenen ‚Gedanken und Erinnerungen“ 
Bismarcks enthalten ein mehrfach in diesem Buch erwähntes Kapitel: 
„Dynastien und Stämme.‘ Der Satz: ‚Die Dynastien bildeten überall den 
Punkt, um den der deutsche Trieb nach Sonderung in engen Verbänden 
seine Kristalle ansetzt.‘“ Auf diese Tatsache als Grundlage hatte Bismarck 
seine Einigungspolitik gestellt, und der Erfolg gab ihm recht: als er die Ver- 
treter der Dynastien zur Einigung unter dem Vertreter der preußischen 
Dynastie als Deutschem Kaiser zum festen, freiwilligen Zusammenschluß 
gebracht hatte und mit ihnen deren Bevölkerungen. Wir haben geschildert, 
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