Full text: Von Potsdam nach Doorn.

wozu waren sie überhaupt noch da? Die antimonarchische, die republi- 
kanische Agitation erhielt immer mehr Stoff, begegnete immer weniger 
Hindernissen. Von der Reichsregierung selbst ging immer dringender nach 
allen Seiten Weisung und Beeinflussung: es nur nicht mit den linken Par- 
teien und mit dem Zentrum verderben! 
Wie sonst in der Welt, so ging es auch hier „ganz natürlich zu‘, jede Wir- 
kung hatte ihre Ursache und zeugte in derselben Linie weiter neue Ursachen 
als Kinder und deren Wirkungen als Enkel. 
Es hat keinen Herrscher der neueren Zeit: gegeben, der so oft, so nach- 
drücklich, feierlich und herausfordernd seine Person, seine über aller Kritik 
befindliche Stellung und seine Würde betont hat, wie Wilhelm II., wenn er 
vom Kaisertum und seinem preußischen Königtum sprach. Im Tone eines 
eifernden Propheten verkündete der Kaiser, daß das deutsche Volk und 
Reich, ausschließlich von seinen Herrschern unmittelbar regiert und ge- 
führt, gedeihen könne; das alles, was geschaffen worden sei, nur ihnen ver- 
dankt werde, insonderheit seinen Vorfahren. Nur sie hätten die großen 
fruchtbaren Gedanken und Pläne gehabt und sich dann ‚brave, tüchtige 
Handlanger‘‘ zur Ausführung der von ihnen als nötig erkannten Arbeiten 
ausgewählt. Nur Gott sei der Kaiser verantwortlich. Er, Wilhelm II., führe 
seine Untertanen herrlichen Tagen entgegen, sein Kurs sei der richtige, wer 
sich ihm entgegenstelle, den zerschmettere er. Beinahe zwanzig Jahre hin- 
durch trieb Wilhelm II. dieses Wesen, immer mit dem Kehrreim: nur ge- 
horsam sein und ihm zu folgen hätten die Untertanen. Ausnahmslos habe 
sich gezeigt, daß seine Ansichten und seine Entschlüsse sich als die allein 
richtigen herausstellten. Durch dick und dünn solle man ihm folgen. 
Dieser selbe Mann, der sich als verkörperter Inbegriff des Herrschers von 
Gottes Gnaden des monarchischen, beinahe des cäsarischen Gedankens ohne 
Unterlaß hingestellt, vor der Novemberkatastrophe von 1908 vielleicht bis 
zu einem gewissen Grade sich auch so gefühlt hatte, hat sich in der end- 
gültigen Novemberkatastrophe von 1918 nicht einmal die Frage gestellt: 
Von welchem Einfluß werden meine jetzigen Eintschlüsse auf die Zukunft 
der Monarchie in Deutschland sein ? 
In den gesamten Besprechungen und Diskussionen des 9. November im 
Kaiserlichen Hauptquartier ist von niemandem dieser Gedanke auch nur 
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