Full text: Von Potsdam nach Doorn.

dem Ersten, der — ein großer Herrscher — mit eiserner Hand in seinem 
großen Reiche herrschte und regierte. 
Eine der gebildetsten und gelehrtesten Persönlichkeiten seiner Zeit, besaß 
Friedrich Wilhelm die für einen König glücklich-unglückliche Fähigkeit, 
sich in alle Verhältnisse und Einrichtungen anderer Staaten und Völker 
hineinzudenken und sich für sie jeweilig zu erwärmen, für sie zu schwärmen, 
für jedes Regierungssystem vom Zarismus bis zum englischen Parlaments- 
königtum. Der König war für sich tatsächlich von dem Gefühl eines mysti- 
schen Gottesgnadentums erfüllt, was andere Könige und Kaiser nur als Pose 
benutzten und als Mittel für die Stärkung ihrer Autorität und ihres Selbst- 
bewußtseins — ein Kapitel übrigens, auf das wir bei Wilhelm dem Zweiten 
zurückkommen werden: Friedrich Wilhelm war der ehrfürchtigen Über- 
zeugung, der König stehe in unmittelbarem ‚Verkehr mit Gott, und zwar 
derart — wie er aus eigener Erfahrung wisse —, daß vom Augenblick der 
Thronbesteigung Gott dem König, dem Fürsten von Gottes Gnaden, Er- 
leuchtungen zukommen lasse, die diesem vorher nicht zuteil geworden seien. 
Er, der König, wisse seitdem Dinge, die er als Kronprinz noch nicht habe 
wissen können. 
Friedrich Wilhelm der Dritte fühlte sich auch in der Atmosphäre des 
Gottesgnadentums, aber er sah auch die Notwendigkeiten des praktischen 
Lebens und ließ sich — soweit seine Selbständigkeitskraft reichte — durch 
diese bestimmen. Er war, dem Wesen nach, geneigt, an sich zu zweifeln, und 
daraus konnte ihn auch das Gefühl des Gottesgnadentums nicht erlösen. 
Friedrich Wilhelm der Vierte hingegen, von schwärmender Begeisterung 
in dem Gedanken erfüllt, wie reich er sein Volk beglücken wollte, tat den be- 
rühmten Ausspruch, nie ‚werde er zugeben, ‚daß sich zwischen unseren 
Herrgott im Himmel und dieses Land ein beschriebenes Blatt, eine Ver- 
fassung — gleichsam als eine zweite Vorsehung — dränge‘“. Das sagte der 
König im Jahre 1847 bei der Eröffnung des vereinigten Landtags, den er 
nach vielen Versprechungen und vielem jahrelangen Zögern hatte verwirk- 
lichen lassen. Dieser genügte jedoch, sogar als ständische Vertretung, nicht, 
geschweige denn als eine Volksvertretung. Eine solche wollte der König auch 
nicht, und der Ausdruck für diese seine unabänderliche Willensmeinung war 
eben jener Ausspruch von den Blatt Papier, der naturgemäß im gesamten 
liberalen Lager und links von diesem allgemeine Enttäuschung und Wut 
erregte. 
Prinz Wilhelm von Preußen, sein Bruder, hatte gegen den Landtag 
schwerste Bedenken gehabt und Widerstand geleistet, solange er konnte. 
Als der König aber den Landtag schließlich ins Leben gesetzt hatte, sagte 
Prinz Wilhelm: „Ein neues Preußen wird sich bilden. Das alte geht mit 
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