Als Leiter und Redner in Versammlungen finden wir während der nächsten
Tage neben Herrn Löwenberg auch Herrn Doktor Levinsohn und Herrn
Doktor Schaßler. Wenige Tage nachher traten noch die Herren Doktor
Oppenheim und Maron hinzu.
In Süddeutschland fand man den Ton der Berliner viel zu milde, und die
marxistische ‚Mannheimer Abendzeitung‘ sprach vom widerlichen Schlamm
der Bourgeoisie, der über die Demokratie gesiegt habe.
Der Magistrat von Berlin aber verlangte bereits Bewaffnung der Bürger,
denn schon früher habe sich gezeigt, daß das Militär bei Unruhen die Bürger
und ihr Eigentum nicht schützen könne.
So vergingen die nächsten Wochen in steigender Spannung. Elemente,
die diese von Tag zu Tag vergrößerten, waren von vornherein nicht in der
Bürgerschaft selbst enthalten, sondern kamen von außen: Die süddeutsche
marxistische und radikaldemokratische Presse hetzte dauernd, die zeit-
genössischen Schilderungen zeigen immer zahlreichere jüdische Namen, sei
es als ‚Deutsche‘, sei es als ‚Russen‘‘ oder ‚Polen‘. Die Unruhen in den
Straßen nahmen zu, Militär wurde hinzugezogen, die Haltung des Polizei-
präsidenten schien zweifelhaft, wiederholt mußte das Militär vorgehen, um
Straßen und Plätze frei zu machen und die Ordnung herzustellen.
Tiefsten Eindruck machte dann die Nachricht, daß die Revolution in
Wien mit großer Schnelligkeit gesiegt, Metternich sofort zurückgetreten und
nach England gereist sei. Die Berliner Spannung erreichte mit dem 15. März
eine neue Steigerung durch die nunmehrige Forderung von allen möglichen
Versammlungen und Deputationen und so weiter, auf Zurückziehung des
Militärs aus der Stadt Berlin: ‚bis zum wirklich erfolgten Angriff des Volks
auf Person und Eigentum‘. Man verlangte, daß Bürgerkommissionen sich
zur Beschwichtigung des Volks organisierten. ‚Das Volk‘ aber wurde von
jenen jüdischen, kommunistischen und demokratischen Elementen auf-
gehetzt; von vornherein war es vollkommen ruhig. Auch die ganz geringe
Arbeitslosigkeit, über die man in Berlin klagte und Versammlungen abhielt,
konnte, sobald nur alles ruhig blieb, leicht beseitigt werden. Kurz, das waren
nicht die Menschen, die das Militär beschimpften, beleidigten und zu mißB-
handeln bestrebt waren und vor Entrüstung schrien, wenn Soldaten und
Offiziere schließlich die Geduld verloren und sich verteidigten. Ein solcher
Fall trat in jenen Tagen zum Beispiel ein, als militärische Abteilungen den
Forderungen ‚‚des Volkes“ — ihren Posten vor dem Schloß zu verlassen —
nicht Folge leisteten.
Von nun an begann der Barrikadenbau auf allen Straßen, die zum Schloß
führten. Sittliche Entrüstung wurde verbreitet, weil das Militär die Durch-
gänge durch das Schloß nicht freigab, damit die treuen Untertanen, wie in
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