Die Natıonalversammlung
Drei preußische Könige hintereinander versagten in der Führung ihres
Volkes und in der Regierung ihres Staates. Sie waren alle, einschließlich
FriedrichWilhelms des Zweiten — der freilich persönlich viel geringere Quali-
täten aufwies als sein Sohn und sein Enkel —, besten Willens. Sie waren
auch, von vornherein, in ihrem Volk nicht unbeliebt. Führer waren sie
allenicht — noch auch Persönlichkeiten, die die Notwendigkeit einerin die
Zukunft schauenden Volksführung erkannt, sich danach ihre Berater aus-
‚gesucht und diese mit entsprechender Vollmacht ausgestattet hätten. Solche
Männer standen Friedrich Wilhelm dem Dritten während seiner langen Re-
gierung in reichem Maße zur Verfügung, und zwar Männer ersten Ranges.
Auch Friedrich Wilhelm dem’ Vierten mangelte es nicht an solchen Per-
sönlichkeiten. Seiner vielleicht größeren Menschenkenntnis aber war die
Scheu beigemischt, einen Mann von Befähigung, Entschlossenheit und
Energie an einen hervorragenden Platz zu setzen, der ihn, den König, zu
Entschließungen und Schritten zwingen und vielleicht in Situationen
bringen könne, denen er nicht gewachsen wäre. So ging esihm auch mit Bis-
marck, dessen Fähigkeiten er kannte oder ahnte, und dessen Persönlichkeit
ihm sympathisch war. Als Bismarck ihm, bei einem bestimmten Anlaß, ein
entschlossenes und wagemutiges Unternehmen vorschlug, sagte er im Ber-
liner Dialekt: ‚„Liebeken, das ist sehr schöne, aber es ist mich zu teuer.
Solche Gewaltstreiche kann ein Mann von der Sorte Napoleons wohl machen,
ich aber nicht.‘
Diese beiden preußischen Könige — Friedrich Wilhelm der Zweite ist ein
anderes Kapitel — hatten den Anforderungen ihrer Zeit nicht genügt und
den Notwendigkeiten ihres Volkes und Staates auch nicht. Sie hatten Ent-
wicklungen und Zersetzungselemente nach Art und Bedeutung nicht er-
kannt, die gleichwohl anderen klar und sichtbar gewesen waren. Wenn der
preußische Staat sich trotzdem erhielt, so war das noch auf das Werk Fried-
richs des Großen zurückzuführen, auf die Leistung des Preußentums in
den Befreiungskriegen, auf die Stärke und Integrität des Offizierkorps
und nicht zum wenigsten auch des Beamtentums und des Landadels, trotz
kurzsichtiger Rückständigkeit des letzteren während der dreißiger und
vierziger Jahre.
In dem Prinzip der Legitimität und der Erbmonarchie war so viel Rich-
tiges, daß politisch, auch sozial, durch sie Erschütterungen vermieden werden
konnten und für die so nötige Stetigkeit im Innern, wie nach außen hin, eine
starke Garantie vorhanden war; für die Bevölkerung schon dadurch, daß
mit Selbstverständlichkeit die Krone sich vererbte, so daß auch nicht der
93