Full text: Von Potsdam nach Doorn.

Soldaten wie Gneisenau und Boyen sich vollkommen einig auf dem Boden 
einer wirklichen Volkspolitik, heute würden wir sagen: einer völkischen 
sozialen Politik, gewesen, auch ganz abgesehen von ihrer Übereinstimmung 
in der damaligen deutschen Frage. Keiner von diesen Männern, außer 
Boyen, war Preuße, aber jeder von ihnen erblickte in dem Preußen Friedrichs 
des Großen und der Befreiungskriege den Staat, der die Zukunft Deutsch- 
lands in sich trug. Wer könnte behaupten, daß solche Männer nicht auch im 
Volk Preußens hätten gefunden werden können! Aber man wollte sie nicht. 
Die regierenden Persönlichkeiten und Schichten waren geistig nicht be- 
deutend genug, um die preußische Bevölkerung als ein Ganzes zu sehen, 
geschweige denn die zahlreichen deutschen Staaten und alle Deutschen. 
* 
Im gleichen Jahre 1848, noch vor der Französischen Revolution, die Ende 
Februar ausbrach, gewann das aus Süddeutschland kommende Drängen 
nach einer allgemeinen nationaldeutschen Vertretung Gestalt. Zwei Ab- 
geordnete, Bassermann aus Baden und Heinrich von Gagern aus Hessen- 
Darmstadt, stellten Anträge in ihren Kammern mit dem Plan: ein vor- 
läufiger Präsident mit einer Art Ministerium für das ganze 
Deutschland müsse berufen werden. Diesem sollte dann obliegen, eine 
Nationalversammlung zu berufen. Anfang März 1848 wurde von51Per- 
sönlichkeiten zu Heidelberg ein Verfassungsplan für ganz Deutschland ent- 
worfen. Dessen Schöpfer reisten in Deutschland an die Fürstenhöfe, um dort 
für ihren Plan zu werben. Während sie reisten, kamen die Ereignisse vom 
18. und 19. März in Berlin, und so verstehen wir den Zusammenhang dieser 
Lage mit den Worten Friedrich Wilhelms des Vierten, er werde sich nun- 
mehr an die Spitze Deutschlands setzen. 
Am letzten Tage des März fand sich eine Konferenz in der Frankfurter 
Paulskirche zusammen für die Organisierung eines deutschen Parlaments; 
man schrieb Wahlen für das ganze Deutschland aus. Auf je fünfzigtausend 
Stimmen sollte ein von ihnen Auserwählter nach Frankfurt gehen und dort 
helfen, die deutsche Einheit zu schaffen. 
Die Fürsten und Regierungen der deutschen Staaten, durchweg alle noch 
unter dem Eindruck der Revolution und in furchtsamer Besorgnis für ihre 
Souveränität, hatten nichts dagegen, ebensowenig erhob der Frankfurter 
Bundestag Widerspruch: Metternich war nicht mehr da! Die Vertreter der 
Regierungen arbeiteten auch ihrerseits einen Verfassungsentwurf aus. Dieser 
sah eine monarchische Spitze für das geeinte Deutschland vor und ein deut- 
sches Parlament nach. dem englischen Zwei-Kammer-System. Der Entwurf 
wurde dann dem Frankfurter Bundestage übergeben. 
7 Reventlow: Von Potedam nach Doorn 97
	        
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