Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1874. (8)

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Artikel 4. 
Die Auslieferung soll nicht stattfinden, wenn die strafbare Handlung 
wegen deren die Auslieferung verlangt wird, einen politischen Charakter an sich 
trägt, oder wenn die auszuliefernde Person beweisen kann, daß der Antrag auf 
ihre Auslieferung in Wirklichkeit mit der Absicht gestellt worden, sie wegen 
eines Verbrechens oder Vergehens politischer Natur zu verfolgen oder zu bestrafen. 
Die Person, welche wegen eines der im Artikel 1 aufgeführten gemeinen 
Verbrechens oder Vergehens ausgeliefert worden ist, darf demgemäß in dem- 
jenigen Staate, an welchen die Auslieferung gewährt ist, in keinem Falle wegen 
eines von ihr vor der Auslieferung verübten politischen Verbrechens oder Ver- 
gehens, noch wegen einer Handlung, die mit einem solchen politischen Verbrechen 
oder Vergehen im Zusammenhange steht, zur Untersuchung gezogen oder bestraft 
oder für solche an einen dritten Staat ausgeliefert werden. 
Ebensowenig kann eine solche Person wegen eines Verbrechens oder Ver- 
gehens, welches in dem gegenwärtigen Vertrage nicht vorgesehen ist, zur Unter- 
suchung gezogen oder bestraft werden; es sei denn, daß dieselbe, nachdem sie 
wegen des Verbrechens, welches zur Auslieferung Anlaß gegeben hat, bestraft 
oder freigesprochen ist, versäumt habe, vor Ablauf einer Frist von drei Mo- 
naten das Land zu verlassen oder daß sie aufs neue dorthin komme. 
Artikel 5. 
Die Auslieferung soll nicht stattfinden, wenn seit der begangenen straf- 
baren Handlung oder der letzten gerichtlichen Handlung im Strafverfahren oder 
der erfolgten Verurtheilung nach den Gesetzen desjenigen Landes, in welchem 
der Verfolgte zur Zeit, wo die Auslieferung beantragt wird, sich aufhält, Ver- 
jährung der strafgerichtlichen Verfolgung oder der erkannten Strafe einge- 
treten ist. 
  
Artikel 6. 
Eine an sich begründete Auslieferung soll auch dann zugestanden werden, 
wenn der Angeschuldigte dadurch verhindert wird, übernommene Verbindlich- 
keiten gegen Privatpersonen zu erfüllen, und es bleibt dem dadurch beeinträch- 
tigten Theile überlassen, seine Rechte vor der zuständigen Behörde geltend zu 
machen. 
Artikel 7. 
Die Auslieferung soll bewilligt werden auf den im diplomatischen Wege 
gestellten Antrag und nach Beibringung eines Strafurtheils oder eines Be- 
schlusses über Versetzung in den Anklagestand, eines Haftbefehls oder eines an- 
deren Aktes, welcher die gleiche Wirkung hat und ebenfalls die Art und Schwere 
der verfolgten That, sowie die auf dieselbe anwendbare strafgesetzliche Bestim- 
mung angiebt. Diese Aktenstücke sollen im Original oder in beglaubigter Aus- 
fertigung eines Gerichtshofes oder einer anderen zuständigen Behörde des die 
Auslieferung beantragenden Landes mitgetheilt werden. Gleichzeitig sollen, so-
	        
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