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Haben solche Personen die Meisterprüfung nicht für dasjenige Gewerbe
oder denjenigen Zweig des Gewerbes bestanden, in welchem die Anleitung
der Lehrlinge erfolgen soll, so haben sie die Befugnis dann, wenn sie
in diesem Gewerbe oder Gewerbszweige
entweder die Lehrzeit (§ 130 a) zurückgelegt und die Gesellenprüfung
bestanden haben,
oder fünf Jahre hindurch persönlich das Handwerk selbständig
ausgeübt haben oder während einer gleich langen Zeit als
Werkmeister oder in ähnlicher Stellung tätig gewesen sind.
Die höhere Verwaltungsbehörde kann Personen, welche diesen
Anforderungen nicht entsprechen, die Befugnis zur Anleitung von Lehr-
lingen widerruflich verleihen. Vor der Entscheidung über die Erteilung
der Befugnis oder den Widerruf ist die Handwerkskammer und, wenn
die Person einer Innung angehört oder an ihrem Wohnorte für ihren
Gewerbszweig eine Innung besteht, außerdem die Innung zu hören.
In Handwerksbetrieben, welche nach dem Tode des Gewerbe-
treibenden für Rechnung der Witwe oder minderjähriger Erben fort-
gesetzt werden, sind bis zum Ablauf eines Jahres nach dem Tode des
Lehrherrn als Vertreter (§ 127 Abs. 1) zur Anleitung von Lehrlingen
auch Personen befugt, welche eine Meisterprüfung nicht bestanden haben,
sofern sie im übrigen den Anforderungen des Abs. 1 Satz 2 entsprechen.
Die untere Verwaltungsbehörde kann solchen Personen als Vertretern
des Lehrherrn auch in anderen Fällen bis zur Dauer eines Jahres die
Befugnis zur Anleitung von Lehrlingen erteilen. Die hiernach zulässige
Dauer der Vertretung kann von der höheren Verwaltungsbehörde nach
Anhörung der Handwerkskammer entsprechend dem Bedürfnisse des
einzelnen Falles verlängert werden.
Die Unterweisung des Lehrlinges in einzelnen technischen Hand-
griffen und Fertigkeiten durch einen Gesellen fällt nicht unter die im
Abs. 1 vorgesehenen Bestimmungen.
Die Zurücklegung der Lehrzeit kann auch in einem dem Gewerbe
angehörenden Großbetrieb erfolgen und durch den Besuch einer staat-
lichen, staatlich unterstützten oder vom Staate anerkannten Lehrwerkstätte
oder sonstigen gewerblichen Unterrichtsanstalt ersetzt werden. Vor der
Anerkennung einer sonstigen gewerblichen Unterrichtsanstalt soll der
zuständigen Handwerkskammer Gelegenheit gegeben werden, sich gut-
achtlich zu äußern.
Die Landes-Zentralbehörden können den Prüfungszeugnissen von
Lehrwerkstätten, gewerblichen Unterrichtsanstalten oder von Prüfungs-
behörden, welche vom Staate für einzelne Gewerbe oder zum Nachweise
der Befähigung zur Anstellung in staatlichen Betrieben eingesetzt sind,
die Wirkung der Verleihung der im Abs. 1 bezeichneten Befugnis für
bestimmte Gewerbszweige beilegen. Der Eintritt dieser Wirkung ist
Reichs · Gesetzbl. 1908 59