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(Nr. 5089) Bekanntmachung, betreffend die Stellvertretung von Rechtsanwälten und die
Beschlußfähigkeit der Vorstände der Anwaltskammern. Vom 9. März 1916.
Der Bundesrat hat auf Grund des § 3 des Gesetzes über die Ermächtigung
des Bundesrats zu wirtschaftlichen Maßnahmen usw. vom 4. August 1914 (Reichs-
Gesetzbl. S. 327) folgende Verordnung erlassen:
§ 1
Ist ein Rechtsanwalt, für den gemäß § 25 der Rechtsanwaltsordnung ein
Stellvertreter bestellt ist, gestorben, so sind Rechtshandlungen, die von dem Stell-
vertreter oder ihm gegenüber vor der Löschung des Rechtsanwalts vorgenommen
worden sind, nicht deshalb unwirksam, weil der Rechtsanwalt zur Zeit der Be-
stellung des Vertreters oder zur Zeit der Vornahme der Rechtshandlung nicht
mehr gelebt hat; die im § 244 der Zivilprozeßordnung vorgesehene Unterbrechung
des Verfahrens tritt erst mit dem Zeitpunkt der Löschung des Rechtsanwalts ein.
Rechtshandlungen, die vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung, aber nach
dem 31. Juli 1914 vorgenommen worden sind, gelten als wirksam erfolgt, wenn
sie bei Anwendung des Abs. 1 wirksam sein würden.
Ist der Rechtsanwalt vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung, aber nach
dem 31. Juli 1914 gestorben, so gilt die Unterbrechung des Verfahrens erst in
dem Zeitpunkt als eingetreten, in welchem sie bei Anwendung des Abs. 1 ein-
getreten sein würde.
§ 2
Bei Feststellung der Beschlußfähigkeit des Vorstandes der Anwaltskammern
(§ 55 Abs. 1 der Rechtsanwaltsordnung) werden Mitglieder nicht gezählt, die
infolge des gegenwärtigen Krieges an der Teilnahme verhindert sind jedoch ist
zur Beschlußfähigkeit die Teilnahme eines Drittels der Mitglieder erforderlich.
§ 3
Diese Verordnung tritt mit dem Tage der Verkündung in Kraft. Den
Zeitpunkt des Außerkrafttretens bestimmt der Reichskanzler.
Berlin, den 9. März 1916.
Der Stellvertreter des Reichskanzlers
Delbrück