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war 1). Bei dieser Sachlage hätte es demnach um so mehr angemessen erscheinen
dürfen, auch das Votum der braunschweigischen Landesvertretung gegenüber dem
festgestellten Verfassungsentwurf wenigstens formell noch einzuholen, wie es in
sämtlichen übrigen, dem Norddeutschen Bunde angehörigen Staaten geschehen ist.
Ganz ohne Widerspruch ist das eingeschlagene Verfahren denn auch nicht
geblieben. Mittels Patents vom 25. Juni 1867, Nr. 43, hatte die braun-
schweigische Regierung die Verfassung des Norddeutschen Bundes mit dem Hin-
weise darauf, daß sie die Zustimmung der Landesversammlung im voraus schon
erhalten habe, „zur Nachachtung“ publiziert. Einige Wochen hernach trat der
Landtag wieder zusammen. Am 10. August ward der übliche Rechenschafts-
bericht des Ausschusses beraten. Als der § 2 desselben zur Verhandlung kam,
welcher das dem Ausschuß wegen der Publikation der Bundesverfassung vom
Ministerium übersandte Schreiben (s. oben S. 75) und die darauf erfolgte
Beschlußfassung zur Kenntnis der Versammlung brachte, sprach der Abgeordnete
Haeusler seine Überraschung darüber aus, daß die Veröffentlichung jener Ver-
fassung „ohne eine besondere Zustimmung der Landesversammlung“ erfolgt sei,
rügte das eingeschlagene Verfahren und schloß mit dem Antrage, die Landes-
versammlung möge
in Erwägung, daß es zweifelhaft erscheine, ob der am 20. Juli v. Is.
gefaßte Beschluß, die Zustimmung zum Abschlusse des von der Königl. preußischen
Regierung in der Note vom 16. Juni v. Is. proponierten Bündnisvertrages,
sowie behufs Einberufung eines deutschen Parlamentes zur Publikation eines
Wahlgesetzes zu erteilen, ohne weiteres auf die durch die späteren geschichtlichen
Ereignisse herbeigeführte Gestaltung des Norddeutschen Bundes zu beziehen war,
in Erwägung ferner, daß insbesondere die in Art. III des Bündnisentwurfes
vom 16. Juni dem zu berufenden Parlament zugewiesene Aufgabe einer Ver-
einbarung der Umgestaltung des Bundestages in der Stellung des zur Beratung
der Verfassung des Norddeutschen Bundes berufenen Reichstages einen Ausdruck
nicht gefunden hat,
zur Beseitigung formeller Bedenken beschließen, zu der durch Publikationspatent
vom 25. Juni d. Is. verkündeten Verfassung des Norddeutschen Bundes damit
ihre Zustimmung zu erteilen.
Allein der Antrag fiel. Wohl weniger aus sachlichen Gründen, als weil
er als ein Mißbilligungsvotum gegenüber Regierung und Ausschuß hätte auf-
gefaßt werden können, was man doch gern vermeiden mochte. Zunächst wider-
sprach der Staatominister v. Campe den Ausführungen des Antragstellers, ohne
jedoch den ersten Teil der Antragsbegründung überhaupt zu berühren und ohne
den anderen Teil in bündiger Weise — soweit wenigstens der Sitzungsbericht
ausweist — zu widerlegen. Dann wurde von anderer Seite dem Antrag ent-
gegengehalten, daß „seit der Publikation der Bundesverfassung sich auf Grund
derselben bereits mannigfache Rechtsverhältnisse ausgebildet hätten, die ganz
zweifelhaft werden würden, wenn jetzt die Rechtskraft jener Publikation in Frage
1) Vgl. Laband, Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. 1, S. 25.