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Praxis aber sind diese Vorsichtsmaßregeln bloßer Schein;
wenigstens war dies der Fall bei den in Brüssel eingeschriebenen
englischen Mädchen, deren Schicksal am Ende der siebenziger
Jahre die Welt zuerst auf diesen scheußlichen Handel auf—
merksam machte. In der Regel konnte keines derselben bei
seiner Ankunft ein Wort französisch sprechen; sie verstanden
daher nichts von der Bedeutung jener Vorgänge. Das
erforderliche Gesuch und der Geburtschein, welcher meist von
den Händlern gefälscht war, da die Einschreibung nicht vor
vollendetem 21. Jahr erfolgen darf, die Verkauften aber
dieses meist nicht erreicht hatten, — wurden von dem Bordell-
Inhaber oder der „Gouvernante“ (Aufseherin des Bordells)
abgeliefert, denen sie zugleich mit der „Ware“ vom
„Placeur“ übergeben waren. Eine dieser sauberen Persön-
lichkeiten begleitete die Mädchen zum Bureau und machte den
Dolmetscher zwischen der Verkauften und dem Polizeibeamten,
der seinerseits kein Wort englisch verstand.
Ist nun das Opfer „glücklich“ in ein Haus gebracht,
das von der Polizei der betreffenden Länder als ein Ideal
geordneter Zustände und zugleich als eine bequeme Falle
für flüchtige Diebe und Betrüger betrachtet wird, die es
lieben, an solchen Orten ihre Beute zu verjubeln, — so
befindet es sich so gut wie in einem Kerker. Manche der
Unglücklichen sehen die Sonne, den Himmel und grüne
Fluren und Wälder thatsächlich niemals; im besten Falle
dürfen sie ausnahmsweise ausgehen oder eher ausfahren, aber
nicht ohne die Aufsicht des Drachen, den man „Gouvernante"
nennt, und gewiß nur dann, wenn ihre Botmäßigkeit nichts
zu wünschen übrig läßt. Sie müssen unbedingt den Willen
des „Herrn“ oder der „Dame“ des Hauses thun und sich
dem ersten Besten hingeben, so vielen Ekel er ihnen ein-
flößen mag. Ungefügigkeit wird durch Betäubung mit
Alkohol beseitigt oder durch Hunger und Schläge gezähmt.
In den meisten Häusern ist die auf die Straße führende