Frau, die von ihm kein Kind hatte, einen jüngern Freund
zuführen und betrachtete dann ihr Kind von ihm wie das
seinige. Noch merkwürdiger ist, daß der Liebhaber einer Frau
von ihrem Manne den Mitgenuß derselben verlangen durfte!*)
Am schlimmsten waren dagegen die Verhältnisse der
Prostitution in denjenigen Teilen Griechenlands, welche mit
Asien im regsten Verkehre standen. Dorther, namentlich aus
den ionischen Kolonien, kamen die raffiniertesten Buhlerinnen,
welche nicht selten für die persischen Interessen arbeiteten.
Die bekannteste unter den Hetären, von denen dies gilt,
war die schöne Thargelia aus Milet, welche ihre Liebhaber
oft wechselte und in Thessalien sogar einen Fürsten, Antiochos,
in ihre Netze bekam, nach dessen Tode sie selbst dort die
Herrschaft ausübte. Durch diese Personen wurde auch Athen
demoralisiert.
Es ist bemerkenswert, daß mit der durch die Züge
Alexanders des Großen bewirkten Verlegung des Schauplatzes
und des Charakters der griechischen Kultur nach Vorder—
asien und Ägypten die Liebe zwischen Mann und Weib vor
der Ehe zum ersten Male ihren Einzug in die Kunst und
Dichtung eines europäischen Volkes feierte, womit wohl ohne
Zweifel die vorzugsweise auf den Kampfspielen fußende
eigenartig griechische Auffassung des Eros eine wesentliche
Abnahme erfuhr. Unser heutiger Begriff der Liebe errang
sich damals einen Platz in der Werkstatt des Bildhauers
und Malers, wie in der Arbeitstube des Dichters und auf
der Bühne, welche die Welt bedeutet. Allein, und das ist
die Schattenseite dieser Erscheinung, — es ist keine irgend—
wie bestimmte Grenze zwischen der reinen Liebe, d. h. der
zur unberührten Jungfrau, und derjenigen zur Hetäre zu
entdecken. Ja, das Hetärenwesen nimmt erst zu jener Zeit
seine abstoßendsten Formen an. Der größte Held und der
*) Plutarch, Lykurg 15. Schoemann, griechische Altertumskunde 1.
S. 221, 273 ff. «