Full text: Die Gebrechen und Sünden der Sittenpolizei aller Zeiten, vorzüglich der Gegenwart.

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das Kennzeichen der Christen. Eine Anzahl ihrer Sekten 
wetteiferte in Folge verkehrter Auslegung von Schriftstellen 
in scheußlicher Ausschweifung mit den heidnischen Kulten. 
Und je weiter sich das Christentum ausbreitete, desto mehr 
verlor es von seiner Reinheit; denn es konnte die Menschen 
nicht anders machen. Sind auch unzüchtige Verirrungen 
im christlich-religiösen Leben nur vereinzelt, so wurzelte doch 
im weltlichen Leben der Christen die Prostitution bald so 
sehr ein, daß sie eben so offiziell wurde, wie unter den 
Heiden. Umsonst suchten die ersten christlichen Kaiser gegen 
die Prostitution einzuschreiten. Es ist wahr, daß die Concilien 
gegen die Unzucht stets strenge Dekrete erlassen haben; aber 
trotzdem standen im Mittelalter selbst die Geistlichen und 
sogar die Bewohnerinnen der Frauenklöster vielfältig in 
üblem Rufe. Der Kampf gegen die Prostitution war so 
fruchtlos, daß ihn die Kirche endlich insofern aufgab, als sie 
dieselbe anerkannte, sie zu regeln und von Verursachung 
großen Schadens abzuhalten suchte. Es ging der Kirche 
hierin wie mit dem Theater; auch dieses hatte sie erst als 
„den Vorhof des Lupanars“ verdammt; aber es ging in 
neuer Gestalt aus ihrem eigenen Schoße, aus dem Gottes— 
dienste selbst hervor. Und so konnte sowohl die Hetäre wie 
der Schauspieler, die unter den Heiden, so sehr ihnen Alles 
huldigte, auf Lebenszeit ehrlos waren, als Christen ehrlich 
und sogar heilig werden. Die Kaiserin Theodora, welche, 
wie man wenigstens vorwiegend glaubt, Kaiser Justinian 
aus dem Schmutze auf den Thron gehoben, gründete ein 
Asyl oder eine Zuchtanstalt für reuevolle Genossinnen ihres 
frühern Berufs. « 
Man konnte eine Besserung der Sitten unter den trotz 
des Christentums verdorben gebliebenen Völkern des römischen 
Reiches von dem Einbruche der Germanen in dasselbe zur 
Zeit der Völkerwanderung erwarten; denn die Germanen 
waren nach einstimmigem Zeugnisse selbst ihrer Feinde sitten-
	        
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