Full text: Die Gebrechen und Sünden der Sittenpolizei aller Zeiten, vorzüglich der Gegenwart.

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Piccolomini in der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts 
erzählt und Bonstetten an dessen Ende bestätigt, selten eine 
Frau mit einem Manne, und wenn die Edeln zu den 
Bürgern kamen, so trugen die Letzteren Wein auf und 
entfernten sich (?). Viele Töchter nahmen Männer ohne 
Wissen ihrer Eltern, und Witwen warteten das Trauerjahr 
nicht ab. Die alten reichen Kaufleute nahmen ihre Mägde 
zu Frauen, und wenn sie bald danach starben, heirateten die 
letzteren ihre jungen Knechte, mit denen sie schon während 
der Ehe vertraut gewesen, und so wurden oft arme Leute 
plötzlich reich, und die Geschlechter wechselten schnell. Ja 
es sollen oft Vergiftungen alter oder ungeliebter Männer 
durch ihre Frauen und deren adlige Buhlen vorgekommen 
sein. Doch auch außerhalb der Städte gab es fahrende 
Dirnen in Menge, besonders an den Höfen und in den Kriegs- 
lagern (s. oben S. 58). Im Jahre 1547 stürmten die spanischen 
Soldaten das Frauenhaus zu Nürnberg, worauf der Rat 
die Dirnen bei den Bürgern unterbringen und das Frauen- 
haus sperren ließ. Noch im dreißigjährigen Kriege bezahlte 
Wallenstein seinem Hurenweibel wöchentlich einundeinviertel 
Reichsthaler. 
Es ist indessen merkwürdig, daß zur Zeit des Bestehens 
der „Frauenhäuser“ das Verbrechen des Kindermordes bei- 
mahe unbekannt war. Im fünfzehnten Jahrhundert kam zu 
Nürnberg kein Fall dieser Art vor, im sechszehnten schon 
sechs, im siebzehnten aber dreiunddreißig. Hand in Hand 
mit dieser Erscheinung traten an die Stelle der Frauenhäuser 
nach und nach die Findelhäuser, welche indessen in Italien 
(wo seit 787 eines zu Mailand bestand) schon längst bekannt 
waren. In Nürnberg wurde Anfangs des sechszehnten 
Jahrhunderts eines errichtet, konnte aber, wie bereits gezeigt, 
den Kindesmord nicht verhindern. Die Findelkinder wurden 
in „guten Sitten und der lateinischen Sprache unterrichtet" 
und wenn sie erwachsen waren, mit dem Bürgerrechte be-
	        
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