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wie dies Yves Guyot in seinem Buche „La Prostitution“
(Paris 1882) gethan hat. Die drastischen Bilder, welche er
von den Zuständen der Pariser Sittenpolizei entwirft, ge—
währen den Eindruck einer Maschine der Willkür und Roh—
heit, wie man ihn kaum in einer Republik und noch weniger
in einer auf ihre Freiheit, Civilisation und Bildung so stolzen
Weltstadt wie Paris suchen würde. Man überzeugt sich
daraus beinahe mit Sicherheit, daß unsittliche, verkommene
Subjekte in den Dienst der „Sittenpolizei“ gezogen werden,
sich durch Verhaften, gleichviel ob mit oder ohne Grund,
emporzuschwingen suchen und sich von solchen Personen, welche
die Verhaftung und Verfolgung verdienen würden, bestechen
lassen. Es ist nicht zu verwundern, wenn Gauner dieses
Gebahren der „Sittenpolizei“ nachahmten, im Bois de Bou—
logne harmlose, spazierende Liebespaare festnahmen, den Lieb-
haber beraubten und das Mädchen mißbrauchten! Eine Bande
hat es in 500 Fällen so getrieben. Prostituierte Dirnen
und Männer dienen der „Sittenpolizei“ als Spione und
Agents provocateurs. Die Details zahlloser Fälle ähnlicher
Art sind empörend. Eine Frau, welche nachts für ihr krankes
Kind Arznei holte, wurde verhaftet; das Kind starb noch in
der Nacht und die Mutter im — Frrenhause! Reich ge-
wordene Cocotten aber werden von Niemandem belästigt,
denn sie zahlen gut! Thatsächlich wird jede nicht als Dirne
eingeschriebene und nicht vornehme weibliche Person von der
Pariser Polizei als „insoumise“, d. h. unbotmaßige Pro-
stituierte betrachtek, ohne weiteres verhaftet, wenn sie nachts
allein betroffen wird, gleichviel welcher Anlaß sie auf die
Straße führt, unter Mißhandlungen auf die Polizei geschleppt
und „ärztlich" untersucht. Ja, sogar begleitete Mädchen
oder Frauen sind nicht sicher; man verhaftet und mißhandelt
den Begleiter oder den, der sie zu schützen versucht, und
sogar harmlos Zusehende einfach ebenfalls. Im Jahre 1883
wurde ein fremdes Mädchen, das mit Vater und Mutter