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Sache, und stellte die Gefangenhaltung der Prostituierten als
eine Beraubung der Freiheit und daher als eine Verletzung
der Verfassung hin. Das Gericht erklärte sich aber, gegenüber
der allmächtigen Reglementierung als — inkompetent!
Ein großer mit der Prostitution zusammenhängender
Skandal in Gent, wo eine Verbindung von Verbrechern, die
Bande der schwarzen Halsbinde genannt, gräuliche Unzucht
mit Raubanfällen verband, hatte 1886 mehrere Verurteilungen
von Kupplerinnen und von Personen, welche Kinder miß—
brauchten, sowie sechs Selbstmorde hochgestellter Personen,
die sich hierdurch der Gerechtigkeit entzogen, zur Folge. Die
übrigen der 66 Beteiligten wurden nicht „ belästigt“.
Noch eine weitere schmähliche Einrichtung besitzt indessen
Belgien, nämlich die sogenannten Stellenvermittelungs-
bureaux. Über dieselben sagt das „Bulletin de la Société
de Moralité publique de Belgique“ (Nr. 5, Juni 1882):
„Die Stellenvermittelungsbureaux sind stets Hotels garnis
mit Schankgerechtigkeit; ihr Salon ist das Hauptquartier der
Bordellhalter und der Kuppler beiderlei Geschlechts; ihre
Vorsteher und Vorsteherinnen sind Lieferanten von Menschen-
fleisch und ihre Vermittelung versorgt die schändlichen Märkte
der Unsittlichkeit. Nicht allein die bereits verlorenen Mäd-
chen wenden sich an die Bureaux, um sich in Verbindung
mit den Kupplern von Profession zu setzen, sondern, was
unendlich schlimmer ist, junge unerfahrene Mädchen, welche
vom Auslande oder aus der Provinz kommen, werden in
diesen Instituten fast unfehlbar Opfer der abscheulichen
Machinationen, eine Beute des Lasters. Wir besitzen eine
Fülle einschlägigen Materials; der folgend erzählte Fall,
typisch für die ganzen Verhältnisse mag als Beispiel genügen.
Vor ein paar Jahren mußte eine junge Deutsche aus an-
ständiger Familie, als Bonne in einem Hause zu L. engagiert,
ihre Stellung aus Gesundheitsrücksichten aufgeben. Die Herr-
schaft, welche sie immer gut behandelt hatte, beging die Un-