Zweite Abtheilung.
Promulgationsgesetz, Reichsverfassung und Anhang.
A.
Promulgationsgesetz vom 16. April 1871.
Vorbemerkung: I. Der oben in Abtheilung 1 § 1 geschilderte
„Gang“) der Verhandlungen, welche zur Gründung des deutschen Reichs
geführt haben, hat zur Folge gehabt, daß das Verfassungsrecht des
letzteren in drei verschiedenen Urkunden enthalten war, in der zwischen
dem Norddeutschen Bunde, Baden und Hessen am 15. November 1870
vereinbarten Verfassung, in dem Vertrage zwischen dem Norddeutschen
Bunde und Bayern vom 23. November 1870 und in dem Vertrage
zwischen dem Norddeutschen Bunde, Baden und Hessen einerseits und
Württemberg andrerseits vom 25. November 1870.
Diese Zerstreuung der Grundlagen, auf welchen der politische
Zustand Deutschlands beruht, war ein Uebelstand, welcher dadurch noch
fühlbarer wurde, daß der Vertrag vom 23. November v. J. mehrere
Bestimmungen der am 15. desselben Monats vereinbarten Verfassung
nur ungenau wiedergeben konnte und daß die dadurch herbeigeführte
Inkongruenz wichtiger Vorschriften, ungeachtet der vorsorglichen Ver-
abredung unter Nr. XV des Schlußprotokolls vom 23. November v. J.,
zu Mißverständnissen führen konnte.
Die Zusammenfassung der in diesen vier Urkunden enthaltenen
Verfassungsbestimmungen in einem einzigen Dokument war daher ein
nicht zu verkennendes Bedürfniß.
Hiezu kam, daß diese drei Urkunden bereits unterzeichnet waren,
als die deutschen Fürsten und freien Städte, auf die Initiative
Sr. Majestät des Königs von Bayern, sich zu dem Wunsche vereinigten,
daß der erweiterte Bund den Namen des deutschen Reichs wieder auf-
*) Die folgende Stelle ist aus den Motiven des Gesetzentwurfs entnommen.