Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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bestimmen, so wäre dies eine Parlaments= und Minister=Regie= 
rung und mit dem monarchischen Prinzip im Widerspruch  . . . . 
Es ist abgeschmackt, den Monarchen verhindern zu wollen, daß 
er seine eigene Meinung ausspreche. Politische Rücksichten mögen 
ihn oft zurückhalten, dieselbe ganz und laut zu offenbaren; aber 
niemandem steht das Recht zu, ihm die freie Rede zu versagen.“ 
An andrer Stelle sagt Bluntschli: „Der monarchisch=konsti= 
tutionelle Staat legt auf die individuelle Energie des Monarchen 
einen großen Wert, und es wäre ungereimt, ihm das höchste 
Recht im Staate zuzusprechen und zugleich ihn um dessenwillen 
unter die Vormundschaft anderer zu setzen. Nicht die Kammern 
schaffen das Gesetz, sondern, indem er seine Sanktion frei er= 
teilt, begründet er das staatliche Ansehen des Gesetzes. Ebenso 
fügen die Minister seinen Regierungsbeschlüssen nicht ihre Auto= 
rität bei, sondern er verleiht denselben seine Autorität, und die 
Minister dienen ihm als Organe seines Willens.“ 
Der Erlaß kam im Reichstag am 24. Januar zur Sprache. 
Fürst Bismarck erklärte: 
„Der Herr Vorredner ist im Anfang seiner Rede zweifel= 
haft gewesen über seine Legitimation, hier im Reichstage einen 
Erlaß des Königs von Preußen, an seine Minister gerichtet, 
zu besprechen. Ich muß ihm überlassen, sich mit seiner Legiti= 
mation als Reichstagsabgeordneter abzufinden. Ich bestreite 
sie nicht. Die meinige ist mir ganz zweifellos. Wenn ich 
hier als Reichskanzler und nur als solcher existierte, so wäre 
ich vielleicht zweifelhaft, aber ich muß da eine Fiktion — 
der Verfassung gegenüber ist es eine Fiktion — berichtigen: 
Der Reichskanzler, so oft er hier genannt wird, ist eigentlich hier 
gar nicht anwesend. Nach Artikel 9 der Verfassung ¹³²) haben die 
Mitglieder des Bundesrats und nur diese, resp. die vom Bun= 
¹³²) Art. 9 der „R.=V.“ lautet: „Jedes Mitglied des Bundesrats hat das 
Recht im Reichstage zu erscheinen und muß daselbst auf Verlangen jederzeit 
gehört werden, um die Ansichten seiner Regierung zu vertreten, auch dann, 
wenn dieselben von der Majorität des Bundesrates nicht adoptiert worden sind. 
Niemand kann gleichzeitig Mitglied des Bundesrates und des Reichstages sein.“
	        
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