162 Das Staatsbürgerrecht. (8. 57.)
haftung entzogenen Unterhalt; geleistet wird die Entschädigung aus den Staatslassen der
Einzelstaaten, nur in Sachen der erstinstanzlichen Zuständigkeit des Reichsgerichtes aus
der Reichskasse. Die staatliche Entschädigungspflicht ist durch Gerichtsbeschluß festzu-
stellen, der durch Rechtsmittel nicht angefochten werden kann, in den Fällen des erst-
bezeichneten Gesetzes zugleich mit dem Urteil, in den Fällen des letzteren Gesetzes zu-
gleich mit dem Urteil oder mit dem auf Einstellung des Verfahrens gerichteten Beschlusse.
Die Geltendmachung des Anspruches hat in den Fällen des Gesetzes von 1904 in sechs,
in denjenigen des Gesetzes von 1898 binnen drei Monaten präklusiver Frist bei der
Staatsanwaltschaft des Beschlußgerichtes zu erfolgen; die Entscheidung erfolgt durch die
Landesjustizuerwaltung, beziehungsweise den Reichskanzler; gegen diese Entscheidung kann
der Rechtsweg binnen einer Ausschlußfrist von drei Monaten durch Zivilklage beschritten
werden, über welche ohne Rücksicht auf die Höhe des Streitgegenstandes die Zivilkammern
der Landgerichte entscheiden.
Die staatliche Entschädigungspflicht für unschuldig erlittene Untersuchungshaft ist
grundsätzlich auch anerkannt worden für militärgerichtliche (§. 10)1 und konsulargerichtliche
(§. 11) Fälle; das Gesetz gibt hier die erforderlichen Sondervorschriften für die Aus-
führung. Bei Ausländern ist die staatliche Entschädigungspflicht für unschuldig erlittene
Untersuchungshaft gleichfalls anerkannt, insoweit durch Staatsvertrag oder durch eine im
Reichsgesetzblatt mitgeteilte Gesetzesvorschrift des Staates, dem der Ausländer angehört,
die Gegenseitigkeit verbürgt ist (§. 12).
III. Die Unverletzlichkeit der Wohnung.
Der Art. 6 der Verfassungsurkunde spricht zunächst das Prinzip aus, daß die
Wohnung unverletzlich ist, und der folgende Satz bestimmt dann, daß das Eindringen in
die Wohnung und Haussuchungen, sowie die Beschlagnahme von Briefen und Papieren
nur in den gesetzlich bestimmten Fällen und Formen gestattet sein sollen.? Demnach ist
1 S. dazu für die Schutztruppen noch kais. nung ist unverletzlich. Das Eindringen in die-
V. v. 6. Nov. 1904 (R. G. B. 441). selbe und Haussuchungen sind nur in den gesetz-
* Vgl. E. Osenbrüggen, Der Hausfrieden lich bestimmten Fällen und Formen gestattet.
(Erlangen, 1857); Meurer, in Bluntschlis Staats= Die Beschlagnahme von Briefen und Papieren
wörterb., Bd. V, S. 1ff., und den Art. „Hausfrieden" darf, außer bei einer Verhaftung und Haus-
in Rotteck u. Welckers Staatslexikon, 3. Aufl., suchung, nur auf Grund eines richterlichen Be-
Bd. VII, S. 568 ff., ferner L. v. Stein, Ver= fehls vorgenommen werden“ (G. S. 1848, S.
waltungslehre, Teil IV, S. 154—158: Schwartz, 375). Bei der Revision schlug der Zentralans-
Komm., S. 63 ff. · schußdekl.K.diejetzige(obenimTexteqnges
«DieVerf.Komm.derNat.Vers.hattcdengebene)Fassungvor,welchevonbeidenKammern
jetzigen Art. 6 der Verf. Urk. in einer anderen angenommen wurde. Der Zentralausschuß be-
Fassung vorgeschlagen. Im Art. 7 ihres Entw. merkte zur Motivierung, „daß diese Fassung das
hatte sie gleichfalls das Prinzip der Unverletzlich= Prinzip des Art. bewahre, und für die ohne
keit der Wohnung vorangestellt und daran soll. Haussuchung oder Verhaftung allein notwendige
gende Beschränkung geknüpft: „Haussuchungen Beschlagnahme von Briefen und Papieren ebenso
dürfen nur unter Mitwirkung des Richters oder die Fälle und Formen des Gesetzes erfordere, wie
der gerichtlichen Polizei in den Fällen und nach für Haussuchungen und Verhaftungen überhaupt
den Formen des Gesetzes vorgenommen werden“. und bei denen solche Beschlagnahme erforderlich
Die Motive hierzu bemerken, „daß es notwendig erscheinen könne“ (Stenogr. Ber. der I. K. 1849
sei, der Willkür der Polizeibehörden in Ansehung —50, Bd. II, S. 651). Die Rev. Komm. der
der Haussuchungen wenigstens insofern vorzu= II. K. bemerkte: „daß die Anderung, welche von
beugen, daß die Mitwirkung des Richters oder der I. K. beschlossen worden, nicht notwendig sei;
der gerichtlichen Polizei erfordert werde“. Dann denn auch nach dem Ausdrucke der Verf. Urk. (v.
enthielt der Art. 17 des Entw. der Verf. Komm. 5. Dez. 1848) stehe die Beschlagnahme von Briefen
(in Abs. 2) die Bestimmung: „Die Beschlag= und Papieren, im Falle dieselbe bei einer Ver-
nahme von Briefen und Papieren darf nur auf haftung oder Haussuchung vorkommt, unter den
Grund eines richterlichen Befehls vorgenommen Bestimmungen des Gesetzes; daß aber Beschlag-
werden“ (vol. Rauer, Protok. der Verf. Komm. nahme von Briefen und Papieren — auch ab-
der Nat. Vers., S. 109—110, 17—21 u. 105, gesehen von den Fällen der Verhaftung oder
121). Von diesen Beschlüssen der Verf. Komm. Haussuchung — möglicherweise anders als auf
der Nat. Vers. ist indes schon in den Art. 6 Grund eines richterlichen Befehls zulässig gemacht
der Verf. Urk. v. 5. Dez. 1848 wenig über= und zu diesem Behufe die Verf. abgeändert wer-
gegangen. Derselbe lautete dahin: „Die Woh= den solle, dafür seien keine Gründe beigebracht